Tödliche Mitgift
erwähnt, einen Sprachkurs machen zu wollen … Ich weiß es aber nicht mehr genau. Wenn ich geahnt hätte …« Der gequälte Laut, der seiner Kehle entwich, war echt. »Finden Sie einfach Annegrets Mörder! Ich weiß nichts, womit ich Ihnen helfen könnte. Wir sind doch jetzt langsam mal fertig, oder?«
Die Lübecker Polizistin beugte sich zu ihrer italienischen Kollegin hinüber und sagte leise etwas zu ihr. Diese zog die schön geschwungenen Augenbrauen in die Höhe.
»Herr Nowak. Wie gut kennen Sie Ihren Schwager Ole Dreyling oder die Familie Dreyling?«
Verdammt. »Was man so hört. Was man so liest«, erwiderte er, um Zeit zu gewinnen.
»Ja?«
»Die Dreylings sind bekannt in Lübeck, weil sie früher mal eine Stiftung ins Leben gerufen haben. Sie sind sehr vermögend, wenn man dem Glauben schenken darf, was man so hört und liest …«
»Und Ole Dreyling?«, fragte die Lübeckerin ihn direkt.
Er wurde hellhörig. Ihr konnte er nicht das Blaue vom Himmel herunterlügen, denn er wusste nicht, wie viel sie schon in Erfahrung gebracht hatte. »Mit Ole Dreyling bin ich auf dieselbe Schule gegangen. Wir haben uns mal ganz gut verstanden, aber das ist eine Ewigkeit her.«
»Waren Sie auf der Hochzeitsfeier?«
»Ja.«
Die Kommissarin nickte und machte sich wieder eine Notiz. »Gab es dort irgendwelche Probleme? Unstimmigkeiten mit der Familie Dreyling?«
Nowak schüttelte leicht den Kopf. Die schlimmste Hochzeit, die ich je erlebt habe, und es ist meine eigene gewesen … , hatte Annegret ihm anvertraut. Nun war sie tot.
»Wie haben Sie erfahren, was Ihrer Schwester zugestoßen ist?«, kam es wieder von den Italienern.
»Ich sagte doch schon, ich konnte sie nicht erreichen, als ich wieder aus Rom zurück war. Daraufhin bin ich zum Guarini gefahren. Ihr Zimmer war … versiegelt. Ich habe dann mit meiner Frau gesprochen, und sie hat mir geraten, mich an die Polizei zu wenden.«
»Sie waren nicht an der Rezeption und haben sich nach Ihrer Schwester erkundigt?«
»Nein.« Auf diese Frage war er vorbereitet. Es war ihm klar, dass das komisch aussah. Sie hatten bei ihren Planungen immer vermeiden wollen, dass man Annegret und Berry mit Caterina und ihm in Verbindung bringen konnte. Nun musste sein Verhalten … merkwürdig erscheinen.
»Warum nicht?«
Er seufzte. »Wegen der Dreylings. Annegret hatte Angst, dass ihre Schwiegereltern es erfahren würden, wenn sich ein Mann nach ihr erkundigt. Sie hatte mich gebeten, mich vom Guarini fernzuhalten.«
»Ihre Schwester hat Sie gebeten, nicht im Hotel zu erscheinen?«
»Genau. Deshalb ging ich nicht an die Rezeption, als ich sie nicht erreichen konnte. Ich wartete einen günstigen Augenblick ab, um selbst nachzuschauen. Sie hatte mir erzählt, in welchem Zimmer sie wohnt. Ich wusste ihre Zimmernummer.«
»Und dann?«
»Ich sah die Polizeiversiegelung. Ich war schockiert. Die Herrschaften, denen ich im Flur begegnet bin, haben den Vorfall doch bestimmt gemeldet. Ich war völlig fertig in dem Moment …« So weit, so gut. Sie schienen es zu schlucken. Sogar Commissario Capo Carlini, der ja immer die Übersetzung abwarten musste, nickte.
»Hatte Ihre Schwester irgendwelche Feinde, Herr Nowak?«
Er schüttelte stumm den Kopf. Annegrets blasses, lebloses Gesicht im Leichenschauhaus trat ihm wieder vor Augen. Der Rechtsmediziner hatte das Laken nur so weit zurückgezogen, dass er den tödlichen Schnitt am Hals mehr hatte ahnen als sehen können. Aber sie war ihm vollkommen blutleer vorgekommen. Wer hatte Annegret so gehasst, dass er ihr das angetan hatte? Er konnte sich nicht vorstellen, dass Berry zu einer solchen Tat fähig gewesen sein sollte. Er war genial und eben anders als andere. Aber er war kein brutaler Killer! Trotzdem, seit Annegrets Tod war er wie vom Erdboden verschluckt … »Finden Sie einfach ihren Mörder«, stieß Matthias Nowak hervor und wischte sich einen kitzelnden Schweißtropfen von der Stirn. Aus dem Augenwinkel sah er, dass die Kommissarin aus Lübeck registrierte, dass er in dem klimatisierten Raum schwitzte.
15. Kapitel
K lein und gefährlich, dachte Pia, als sie bei der anschließenden Besprechung in der Questura Stefano Carlini, dem Commissario Capo, gegenübersaß. Sein scharf geschnittenes Gesicht zeigte keinerlei Emotionen, doch Pia ließ sich nicht täuschen. Ihre Anwesenheit behagte ihm ebenso wenig wie die Tatsache, dass er bei den Befragungen in diesem Fall auf die Übersetzungskünste seiner Mitarbeiterin angewiesen war.
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