Tödliche Mitgift
dem deutschen Rang eines Polizeirats.
Der unbekannte italienische Wortlaut der Frage, in einem sachlichen, aber auch inquisitorisch wirkenden Tonfall vorgetragen, erhöhte Matthias Nowaks Pulsfrequenz spürbar. Der mag dich nicht, schoss es ihm durch den Kopf. Der Bulle kann dich nicht leiden, dich nicht und den Mordfall an einer deutschen Touristin in einem Nobelhotel in seiner Stadt erst recht nicht. Bestimmt ist er der Ansicht, dass dieser Vorfall bei einem ungünstigen Verlauf der Ermittlungen seiner Karriere schaden könnte. Ganz anders klang dagegen die Stimme der Commissaria Sponza, als sie für ihn übersetzte. Sie hatte ein angenehmes Timbre, fast einschmeichelnd, als sie ihn fragte, was der Grund für seine Anwesenheit in Perugia sei.
Dieser Teil war einfach. Er hatte gewusst, dass sie das fragen würden, und hatte sich darauf vorbereitet. Matthias Nowak erzählte von seinem geplanten Handel mit umbrischen Qualitätsweinen und Olivenöl. Er konnte genügend Aktivitäten in dieser Richtung vorweisen und sie zur Not auch belegen. Er hatte Zeugen. Auf die Frage nach seiner bisherigen Tätigkeit in Deutschland spielte er seinen ersten Trumpf aus.
»Wirf ihnen einen Brocken Aas hin, auf den sie sich stürzen können«, hatte Rizzo ihm empfohlen. »Dass du gesessen hast, kommt sowieso heraus. Wahrscheinlich wissen sie es längst, wenn sie ihre Hausaufgaben gemacht haben. Ziere dich erst ein wenig, spiel danach den Zerknirschten, und rücke mit der Wahrheit heraus. Dann haben sie das Gefühl, etwas erreicht zu haben.«
Es war, wie Rizzo es prophezeit hatte. In den blanken Vogelaugen des Commissario Capo glomm ein Funke von Interesse auf, als er nach einigen vorgeblichen Verzögerungen von seiner, Nowaks, Vorgeschichte erfuhr. Er verlor damit natürlich ein paar Punkte in Sachen Redlichkeit, gleichzeitig wurde seine Idee, hier mithilfe seiner italienischen Frau ein neues Geschäft aufzuziehen, umso glaubwürdiger. Es war seine Chance auf ein neues Leben gewesen, und da er nichts zu verlieren hatte, hatte er sie ergriffen. So gut, wie die ersten Geschäftsverhandlungen gelaufen waren, wäre es vielleicht tatsächlich eine Chance gewesen …
Als sie auf seine Schwester Annegret zu sprechen kamen, wurde es schwieriger. Matthias Nowak schlug einen Moment die Hand vor die Augen, um sich zu sammeln. »Emotionen sind okay«, hatte Rizzo gesagt, »sei traurig, wütend, erschüttert. Aber vollkommen kontrolliert, verstehst du? Du bist der Schauspieler, der sein Stück aufführt, und die sind dein Publikum.« Matthias Nowak spannte und lockerte nacheinander seine verkrampften Zehen in den engen Lederschuhen, die Oberschenkel“ und die Gesäßmuskeln, dann die Schulterpartie und die Arme. Zum Schluss atmete er langsam aus.
»Herr Nowak?«, fragte die schöne Commissaria besorgt.
»Es ist okay«, murmelte er und sah ihr tief in die Augen. »Ich kann es immer noch nicht fassen. Verstehen Sie? Dass sie tot ist. Noch dazu durch Mord!«
Mit einem raschen Seitenblick nahm er wahr, dass die deutsche Kommissarin ihn aufmerksam ansah. Vielleicht war er schon zu lange unter Italienern, dass es für sie zu theatralisch rüberkam? Aber nur wenn er schauspielerte und sich zur Konzentration zwang, konnte er seine wirklichen Gefühle, den kaum erträglichen Schmerz und das Gefühl des Unwirklichen überhaupt aushalten. Selbst als er Annegret auf der kalten Edelstahlbahre hatte liegen sehen, hatte er es nicht fassen können. Dass sie wirklich tot war – seine Schwester Annegret – tot.
»Weshalb hat sich Ihre Schwester in Perugia aufgehalten, Herr Nowak?«, wollte die deutsche Kommissarin wissen, musste dann aber abwarten, bis ihre italienische Kollegin die Frage für die Herren übersetzt hatte.
»Sie ist mir einfach nachgereist. Sie hat es angeblich in Lübeck nicht mehr ausgehalten. Annegret war erst seit Kurzem verheiratet, doch ihr Ehemann ist direkt nach der Hochzeit nach Südamerika geflogen, und die Familie ihres Mannes hat sich sehr ablehnend ihr gegenüber verhalten. Darum ist sie hergekommen. Sie hielt es für eine gute Idee, mich und Caterina in Perugia zu überraschen. Und die Überraschung ist ihr auch gelungen.«
»Sie hat sich am zehnten Juli im Guarini eingemietet. Wann hat sie zu Ihnen Kontakt aufgenommen?«
»Auch am zehnten Juli, glaube ich. Sie rief mich auf dem Handy an. Wir haben sie am nächsten Abend im Hotel abgeholt, Caterina und ich, und sind mit ihr essen gegangen.«
»Was wollte Ihre Schwester in
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