Tödliche Mitgift
sagte Pia.
»Schwer vorstellbar, dass dort in naher Zukunft wieder ein Hotelgast übernachtet«, meinte Vittoria Sponza nachdenklich. Sie passierte einen weiteren Kreisel und bog dann zweimal nach rechts ab. Hinter einer Linkskurve kam sie dann vor einer Schranke zum Stehen. Im Hintergrund erhob sich ein dreistöckiges Gebäude, von dessen Fassade große Fetzen rostbrauner Farbe abgeblättert waren und dabei hellrosa Mauerwerk freigelegt hatten. Mit seinen blassblauen, geschlossenen Fensterläden und dem verlassenen Eingangsbereich machte das Hotel einen leer stehenden Eindruck auf Pia. Das Gittertor stand offen, doch die Schranke dahinter war geschlossen. Die Commissaria meldete sich über eine Sprechanlage an und stellte ihren Wagen auf einem kleinen Gästeparkplatz ab. Sie begleitete Pia an die Rezeption, wo diese den Schlüssel für das reservierte Zimmer in Empfang nahm.
»Ich hole Sie nachher wieder hier ab«, sagte Vittoria Sponza zum Abschied, »ich hoffe, es wird alles zu Ihrer Zufriedenheit sein.«
14. Kapitel
C aterina hatte ihn bis zur Questura gefahren und dort abgesetzt. Schweigend. Es gab nichts mehr zu bereden zwischen ihnen, fast so, als hätten der Schock, die Trauer und die Anspannung, die seit Annegrets Tod auf ihnen lasteten, alle Wörter stumpf und sinnlos werden lassen. Rizzo hatte ihm am Vorabend klar zu verstehen gegeben, dass es ungesund für ihn wäre, auch nur ein einziges Wort darüber verlauten zu lassen, was der eigentliche Grund seines Italien-Aufenthaltes war. Als hätte er das vorgehabt! Die Unterstellung ärgerte Matthias fast noch mehr als die implizierte Drohung. Nie, niemals mehr ginge er zurück in den Knast. Schon gar nicht hier in Italien.
Die halbe Valium, die Caterina ihm nach dem Essen angeboten hatte, hatte er mit einem Glas Weißwein heruntergespült, aber als er das Gebäude der Polizia di Stato betrat, fiel es ihm trotzdem schwer, seine Gefühle zu kontrollieren. Er musste sich ausweisen und wurde dann von einem uniformierten Beamten nach oben geleitet.
Kontrolle!, behalte die Kontrolle, egal, was sie sagen oder fragen!, rief sich Matthias Nowak auf jedem Treppenabsatz, den er erreichte, ins Gedächtnis – wie ein Mantra. Kontrolle. Er spürte, dass sich seine rechte Hand schon wieder zu einer Faust geballt hatte, und lockerte sie. Achte auf deine Körpersprache!, ermahnte er sich, du bist aufgewühlt wegen des Mordes an deiner Schwester … verstört … Verstört ist glaubhaft, aber dein Gewissen ist rein. Die sind in Zugzwang, solange sie nicht den Mörder deiner Schwester ermittelt und verhaftet haben. Mach ihnen Vorwürfe! Mach ihnen die Hölle heiß!
Im Vernehmungsraum war es kalt wie in einem Kühlschrank. Nowak, der Situationen wie diese schon kannte, ließ sich auf den ihm angebotenen Stuhl fallen und musterte die Anwesenden der Reihe nach, als sie ihm vorgestellt wurden. Er versuchte, sich schnellstmöglich ein Bild von ihren Persönlichkeiten zu machen, forschte nach erkennbaren Schwachpunkten, Stärken, Animositäten und Bündnissen … und wusste, dass sie ihn zur selben Zeit ebenso taxierten.
Der leitende Ermittler hieß Stefano Carlini. Er war ein hagerer Mittfünfziger, der mit seinem pomadig schwarzen Haar und der ausgeprägten Nase entfernt an einen Krähenvogel erinnerte. Neben ihm saß diese Frau, die er schon vom Vorgespräch her kannte, Commissaria Vittoria Sponza. Sie sprach hervorragend Deutsch und sollte während der Befragung übersetzen. Der Protokollführer befand sich links neben Carlini und starrte geistesabwesend aus dem Fenster. Seine aufgedunsene Gestalt quoll über die Armlehen des Bürostuhls. War das nicht unbequem? Eine Matthias Nowak unbekannte Frau hatte rechts von der Commissaria Platz genommen. Sie betrachtete ihn aus graublauen Augen, und ihr Haar war von jenem lichten, ansatzlosen Blond, das kein Frisör je so hinbekommt. Sie sah nicht wie eine Italienerin aus, sie war fremd hier. Wie er … Die Commissaria stellte sie als Kriminaloberkommissarin Pia Korittki aus Lübeck vor. Obwohl ihr Gesichtsausdruck weder Mitleid noch Nachgiebigkeit verhieß, fand Nowak ihre Anwesenheit in Perugia tröstlich.
Zunächst wurden seine Personalien und die Befragungssituation in schriftlicher Form festgehalten. Dann ergriff der schmale, gereizt aussehende Carlini das Wort. Dem Rang nach war er Commissario Capo. Rizzo hatte ihn vorgewarnt, dass man für diese Befragung schwere Geschütze auffahren würde. Ein Commissario Capo entsprach
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