Tödliche Mitgift
Lieferanteneingang kommt man nur mit einer strengen Legimitation hier hinein, und außerdem ist man dann noch lange nicht im Gästebereich des Hauses.«
»Und sonst?«
»In einem Koffer?« Er erlaubte sich ein schwaches Lächeln.
»Neben dem Haupteingang befindet sich doch eine Bar. Ist die nicht auch vom Inneren des Hauses aus zugänglich?«, wollte Pia wissen. Sie hatte über diese Möglichkeit schon beim Betreten des Hotels nachgedacht.
»Da gibt es Zwischentüren, die aber fast immer verschlossen sind. Das Personal hat strikte Anweisung von mir, stets darauf zu achten. Das ist für den Ruf eines Hotels überaus wichtig.«
»Können Sie mir den Weg und die Zwischentüren zeigen?«, bat Pia.
Der Geschäftsführer warf ihr einen prüfenden Blick zu, wohl um festzustellen, ob sie an ihrem Vorhaben festhalten würde, wenn er ablehnte. Er seufzte leise und hielt ihr die Zimmertür auf. »Bitte sehr. Wir nehmen den Fahrstuhl bis ganz nach unten.«
An der Steuerungstafel des Fahrstuhls konnte Pia ersehen, dass es unterhalb des Erdgeschosses noch drei Stockwerke in die Tiefe ging. Sie fuhren bis ganz nach unten. Wenig später stand Pia vor einem türkis schimmernden Schwimmbad, dass in ein antikes Gewölbe integriert worden war. Ein verglastes Viereck im Fußboden gab den Blick auf etruskische Fundamente frei, ähnlich denen, die Pia bei der Rolltreppenfahrt durch die Rocca gesehen hatte. Warum auch nicht?, dachte sie. Hier musste es Bauarbeitern und Architekten ähnlich ergehen wie in Lübeck: Immer wieder, wenn für ein Neubauvorhaben eine Grube ausgehoben wurde, stieß man auf bauliche Zeugen aus vergangenen Zeiten. Das sorgte für zeitliche Verzögerungen und eben gegebenenfalls für eine Änderung der Baupläne.
Der Geschäftsführer erläuterte Pia unterdessen die verschiedenen Saunen und den Umkleidebereich mit den Schließfächern, die extra eingeplant worden waren, damit die Hotelgäste nicht im Bademantel durch das gesamte Hotel wandeln mussten. Ihr Blick fiel auf eine Treppe nach oben, auf deren Absatz eine Schale mit grünen Äpfeln stand.
»Geht es hier hinauf zur Bar?«, erkundigte sie sich. Sie fühlte sich jetzt weniger niedergedrückt, eher wie ein Jagdhund, der eine neue Fährte aufgenommen hat. Aber vielleicht lag es nur daran, dachte sie, dass ihr Körper allmählich den Alkohol verarbeitete.
»Folgen Sie mir …«, sagte ihr Begleiter und führte sie durch mehrere Gänge und Treppen nach oben, bis sie vor einer Glastür standen. »Hier ist unser Ausflug zu Ende.« Er fasste entschlossen den Türgriff an. Die Tür schwang auf, und der Geschäftsführer sah sie mehr verblüfft als verärgert an. »Hier sollte er zu Ende sein. Es ist der Durchgang zu den Toilettenanlagen der Bar. Normalerweise ist er verschlossen.«
Pia nickte, betrachtete das Türschloss, das unversehrt aussah, und folgte dem Geschäftsführer weiter den Gang hinunter. Links befanden sich die angekündigten Toilettenräume, die den Gästen der Bar zur Verfügung standen. Wenn man die Bar von außen betrat, konnte man demnach nach unten zur Toilette gehen und durch die unverschlossene Durchgangstür in den Wellness-Bereich des Hotels gelangen. Mit dem Fahrstuhl kam man von dort aus direkt zu den Fluren vor den Hotelzimmern im zweiten und dritten Stockwerk, ohne sich dem Empfangsbereich mit der Rezeption auch nur zu nähern.
»Ist es möglich, dass die Durchgangstür am Tag des Mordes auch offen war?«
»Wenn Sie mich jetzt danach fragen: Ja, ich kann es nicht ausschließen. Ich kann nicht ständig überall sein und alles überprüfen. Wenn das Hotel ausgebucht ist, hat das Personal sehr viel zu tun. Sie müssen schnell mal von der Bar hinüber ins Restaurant oder so. Es ist natürlich möglich, dass dann einer ausnahmsweise einmal vergessen hat, die Tür wieder abzuschließen. Aber bisher hatten wir nie ein Problem damit.«
Pia trat aus der Halle des Guarini Palace auf die Straße und sah auf ihre Armbanduhr. Die kurze Nacht und der Flug hierher hatten ihren Rhythmus durcheinandergebracht: Es war noch gar nicht so spät, wie sie gedacht hatte. Bis zur Fortsetzung der geplanten Einsatzbesprechung hatte sie noch etwas Zeit.
Sie bog nach links in Richtung Innenstadt und schlenderte ein Stück die breite Fußgängerzone des Corso Vanucci hinunter. Die vielen Menschen, die um diese Uhrzeit an den Schaufenstern vorbeiflanierten oder in den Straßencafés und auf den Treppenstufen des Palazzo del Priori saßen, lenkten sie für
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