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Tödliche Mitgift

Tödliche Mitgift

Titel: Tödliche Mitgift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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am Ende. Nur gut, dass sie aufgetaucht war. Das Blatt, das er auf der Hand hatte, war grauenhaft schlecht, aber wenn er es geschickt ausspielte …? Sie war seine letzte Chance. Er wusste ja, wo sie sich zurzeit aufhielt. Seine Kraftreserven waren aufgebraucht, doch er konnte immer noch seinen Verstand benutzen. Oder das, was in seinem derzeitigen Zustand davon übrig war. Er durfte nicht schwach werden und sich dieser deutschen Polizistin anvertrauen. Entscheidend war, dass sie ihn nicht in die Hände der italienischen Polizei übergab, was sie unzweifelhaft versuchen würde, wenn sie die Chance dazu erhielt. Bernhard Löwgen war überzeugt davon, dass derjenige, der Annegret ermordet hatte, auch ihn erwischen würde, befand er sich erst einmal hilflos in den Händen des hiesigen Polizeiapparates. Er musste die Frau davon überzeugen, dass sie ihm auf andere Art und Weise half. Überzeugen, nur wie?
    Sein Blick wurde von einer zerbrochenen Glasflasche angezogen, deren Scherben im verdorrten Gras im Licht der hinter den Häusern versinkenden Sonne glitzerten. Noch während er seinen Arm danach ausstreckte, wurde ihm erschreckend bewusst, wie sehr ihn die Angst, der Schlafmangel und die Einsamkeit verändert hatten.
    Pia verließ das Polizeirevier kurz nach halb zehn. Sie hatte noch eine Zeit lang mit ihren italienischen Kollegen zusammengesessen, obwohl die eigentliche Besprechung längst beendet gewesen war. Jemand hatte eine Flasche Wein geöffnet … und der Gedanke an ihr einsames Hotelzimmer hatte sie auch nicht gerade zum Aufbruch animiert.
    Sie stellte sich vor, wie die anderen nun ihrem Zuhause, ihren Partnern, Freunden, vielleicht auch Kindern entgegenstrebten, und hatte es nicht sehr eilig, ins Hotel zu kommen. Die Luft, die still in den engen Straßen und Gassen stand, fühlte sich noch immer warm und weich an, und auf den Gehsteigen saßen die Menschen, unterhielten sich, lachten und genossen den langen Sommerabend.
    Wie in Lübeck in der Altstadt, dachte Pia, nur mit dem Unterschied, das solche Abende im Norden seltener vorkamen als hier. Obwohl sie müde war, beschloss sie, noch ein Stückchen zu gehen, schon um von dem Adrenalin runterzukommen, das immer noch in ihren Adern kreiste.
    Sie kaufte sich eine große Kugel Zitroneneis in einer Waffel und schlenderte damit ein Stück die Straße hinunter, während sie im Geiste noch einmal die Informationen durchdachte, die sie bisher erhalten hatte. Aus Erfahrung wusste sie, dass der Versuch, an etwas anderes als die Arbeit zu denken, kaum erfolgreich sein würde. Wenn sie ihrem Unterbewusstsein erlaubte, sich noch eine Weile mit dem Fall zu beschäftigen, schaltete es später schneller von ganz allein ab.
    Oben am Hang konnte Pia das von Scheinwerfern angestrahlte Guarini Palace Hotel erkennen. Es stellte einen brauchbaren Orientierungspunkt in dem Gewirr der sich am Berg entlangschlängelnden Straßen dar. Um nicht zu weit bergab zu gehen und sich zu sehr von ihrem eigenen Hotel zu entfernen, bog Pia nach einer Weile nach links ab. Zu ihrer Überraschung mündete die schmale Straße in einen Park. Auf einer Parkbank saß ein knutschendes Pärchen, das keinerlei Notiz von ihr nahm, ansonsten schien die Grünanlage um diese Uhrzeit aber menschenleer zu sein. Sie erstreckte sich weit den Hang hinunter, war jedoch nicht sehr breit. Pia konnte die erleuchteten Fenster der Häuser auf der anderen Seite erkennen.
    Sie hatte keine Lust umzukehren, sondern beschloss, den Park zu durchqueren und drüben wieder bergan in Richtung Zentrum zu gehen. Während sie sich den letzten Rest Eis von den Fingern leckte, warf sie den Waffelrest und die winzige Serviette in einen der Papierkörbe am Wegrand und bedauerte, nicht zwei Kugeln Eis genommen zu haben. Ihre Schritte knirschten auf dem sandigen Boden; sie klangen hier lauter, weil die Bäume und Büsche den Verkehrslärm abschirmten. Der Park war nicht gut beleuchtet; zwischen den wenigen Laternen versanken der Weg und die Umgebung immer wieder in Dunkelheit. Pia musste sich mehr auf ihren Tastsinn und ihr Gehör verlassen, um nicht vom Fußweg abzukommen, und sie war ein wenig erleichtert, als sie sich dem Lichtkegel der nächsten Laterne näherte. Aufgrund ihrer in der Ausbildung antrainierten Wachsamkeit versetzte sie das leise Geräusch schneller Schritte in ihrem Rücken sofort in Alarmbereitschaft. Es klang nicht rhythmisch, wie man es bei einem abendlichen Jogger vermuten würde, sondern unregelmäßig …
    Pia

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