Tödliche Mitgift
Neuigkeiten der Commissaria Sponza hatten das Gefühl von Rastlosigkeit und Unruhe nur noch verstärkt. Und der Ärger darüber, dass ihr nun wichtige Ermittlungsschritte entgehen würden, war nicht einmal das Ärgste daran. Viel mehr quälte sie der Gedanke, vielleicht auf eine ihr noch nicht transparente Art und Weise versagt zu haben. Wenn sie wüsste, was hinter ihrem Ausschluss steckte, wäre es vielleicht einfacher zu schlucken …
Pias Telefon vibrierte. »Korittki.«
»Gabler hier. Guten Morgen. Sie hatten mich angerufen?«
»Haben Sie gerade meine Rückreise veranlasst?«, fragte Pia in der ihr eigenen Geradlinigkeit, die weniger robuste Mitmenschen als Gabler zuweilen verschreckte.
»Ah … ja. Es haben sich ein paar Dinge ereignet, die das unumgänglich machen. Ich weiß, es muss Ihnen unverständlich erscheinen, aber ich muss Sie trotzdem auffordern, unverzüglich nach Lübeck zurückzukommen. Ich habe schon einen Flug für Sie buchen lassen.«
»Was ist passiert? Von wem kommt die Anweisung?«
»Ich kann Ihnen darüber keine Auskunft geben«, sagte er so trocken, als zerbröselte jemand Knäckebrot vor dem Telefonhörer. Pia wusste aus Erfahrung, dass weiteres Nachbohren bei Gabler zwecklos war, aber sie konnte die Aufforderung nicht ohne eine Begründung akzeptieren.
»Sie wissen, dass damit die Erfolgsaussichten der Ermittlungen erheblich beeinträchtigt werden. Ich habe gestern Abend unseren Hauptverdächtigen festgenommen«, erklärte sie erzwungen ruhig.
»Ich weiß darüber Bescheid. Sie haben sich unnötig in Ge-1 fahr gebracht, Frau Korittki.«
Frau Korittki, diese Anrede aus seinem Mund war ganz schlecht. Die Laune ihres Chefs schien das Lübecker Wetter noch zu unterbieten. »Ich hatte die Situation unter Kontrolle«, erwiderte sie wütend.
»Ich weiß. Kommen Sie einfach unverzüglich zurück. Alles Weitere klärt sich hier.«
»Das gefährdet die gesamte Ermittlung«, wiederholte sie, ohne Hoffnung zu haben, an ihrem Schicksal damit noch irgendetwas zu ändern. Andere, in höherer Position, hatten über ihren Kopf hinweg entschieden.
»Das mag sein. Ich erwarte Sie in Lübeck«, antwortete er ihr kurz angebunden. Und das war’s.
Löwgen hatte noch nicht geduscht, er hatte auch keine frischen Sachen bekommen. Lediglich eine Katzenwäsche in der Metallwaschschüssel in seiner Zelle war ihm möglich gewesen, nicht viel anders als die, die er die letzten Tage in den Touri-Toiletten genossen hatte. Er stand fortwährend unter Beobachtung – Privatsphäre war ein Fremdwort in Polizeigewahrsam. Eigentlich hätte das meine Verhandlungsposition schwächen müssen, aber das Gegenteil ist der Fall, dachte Bernhard Löwgen entschlossen. Sie ahnten nicht, dass ihn allein schon diese Nacht in der sicheren Zelle auf der vergleichsweise komfortablen Pritsche gestärkt hatte. Nach den Nächten im Freien, immer in Angst vor Ratten, Hunden, Spinnern und der Polizei, waren ihm die Ruhe und Abgeschlossenheit der kleinen Zelle wie eine Oase erschienen. Sogar ein Frühstück hatte es gegeben. Und die drei italienischen Beamten, geduscht, geföhnt und untadelig gekleidet, hatten hilflos zulassen müssen, wie sich unter ihrer Nase der Duft ihres teuren Eau de Irgendwas mit seinem Gestank der Straße vermischte. Bisher hatte er keines ihrer Worte verstanden, nicht die italienischen (die sowieso nicht), nicht die englischen. Und auch als eine Italienerin dazukam, die vorbildlich Deutsch sprach, gab er vor, nichts zu verstehen. Er wollte mit der deutschen Polizistin sprechen, die Korittki hieß und die ihm aus Lübeck hierher nachgereist war. Die ihn gestern Nacht hergebracht hatte – in Sicherheit. Wenn er die Augen schloss, konnte er sich das Gefühl ihres weichen, hellen Haares auf seiner Wange zurückrufen.
»Der gibt nicht nach. Er wird nur mit uns reden, wenn die Kommissarin aus Lübeck dabei ist«, sagte Vittoria Sponza, als sie nach zwei zermürbenden Stunden aus dem Vernehmungszimmer trat.
Carlini schnaubte wütend. »Ach ja?«, fragte er. »Wir können ihn ja noch etwas schmoren lassen …«
»Meines Erachtens ist das zwecklos«, antwortete die Commissaria äußerlich gleichgültig, innerlich aber ein wenig feixend. »Wie es aussieht, ist dieser Löwgen froh darüber, dass das Versteckspiel vorbei und er von der Straße weg ist. Er ist gerade vor unseren Augen eingeschlafen. Und er scheint alle Zeit der Welt zu haben …«
»Cazzo!«, rief der Commissario Capo wütend. »Was schlagen Sie
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