Tödliche Mitgift
denn vor?«
»Noch ist Frau Korittki drüben im Hotel und packt ihre Sachen zusammen«, meinte Vittoria Sponza. »Soll ich sie holen lassen?«
»Das muss ich erst abklären«, antwortete Stefano Carlini schroff.
Die Commissaria wandte sich ab, damit er das Lächeln nicht sah, das sich in ihre Mundwinkel geschlichen hatte. Die Art und Weise, wie ihre Kollegin aus Deutschland abserviert werden sollte, hatte ihr nach einigem Nachdenken missfallen. So etwas konnte jeden von ihnen treffen, jeden Tag. Und wofür schuftete man dann? Ihr Chef griff nach seinem Telefon und tippte eine Nummer ein. Und sie wusste auch, mit wem er sich absprechen musste.
Im Vernehmungsraum roch die Luft beinahe so streng wie in einem Affenhaus. Als Pia auf ihren Platz an der anderen Seite des Raumes zusteuerte, fühlte sie Bernhard Löwgens Blick auf sich ruhen. Vittoria Sponza lächelte ihr verhalten zu, die anderen, der Commissario Capo Carlini, der Protokollführer vom Vortag und zwei weitere Männer schauten misstrauisch bis ablehnend drein. Ein durchtrainiert aussehender Endvierziger mit grauem Haar, gebräunter Haut und einem militärisch exakten Haarschnitt wurde ihr als Marco Petrucci vorgestellt, Capitano bei einer regionalen Carabinieri-Einheit, die auf Kunstraub spezialisiert war. Was hatte eigentlich Kunstraub mit all dem zu tun? Es wurde immer seltsamer!
Begleitet wurde er von einem massigen, rotgesichtigen Mann mit dicken Brillengläsern, Tenente Pallotta, was dem deutschen Dienstgrad eines Polizeioberkommissars entsprach, den auch Pia innehatte. Der Tenente musste sich unentwegt die Schweißtropfen von der Stirn wischen.
Bernhard Löwgen saß in sich zusammengesunken auf seinem Stuhl, die Hände ruhig im Schoß, nur seine Nasenflügel zuckten. Der aufmerksame Blick seiner braunen Augen passte nicht recht zu der Haltung, die er eingenommen hatte. Löwgen war gerade wegen eines gewalttätigen Angriffs festgenommen worden, er stand unter Mordverdacht und hatte die Nacht in Polizeigewahrsam verbracht. Seine unterschwellig spürbare Zufriedenheit schien Pia fehl am Platz zu sein.
Vittoria Sponza dolmetschte wieder, stellte die Anwesenden vor und erläuterte Bernhard Löwgen seine Rechte. Er verzichtete nachdrücklich darauf, einen Anwalt zu verständigen, sondern wollte ganz offensichtlich sofort aussagen. Seine einzige Bedingung war die Anwesenheit der deutschen Kommissarin. Auch Pias Erklärung, dass sie zwar an seiner Befragung teilnehmen konnte, in Italien jedoch keinerlei Handlungsbefugnis habe, brachte ihn nicht davon ab.
Pia hatte schon im Vorfeld der Befragung eine erregte Diskussion zwischen dem Capitano der Carabinieri und dem Commissario Capo der Polizia di Stato mitbekommen. Die Sponza hatte ihr erklärt, dass Carlini Löwgen zunächst in der Mordsache befragen wollte, während Petrucci einem anderen Focus den Vorzug gab. Stefano Carlini hatte zunächst den Sieg davongetragen, denn erst einmal drehte sich die Befragung um den Mord an Annegret Dreyling.
»Annegret war meine persönliche Traumfrau, etwas ganz Besonderes. Eine wie sie hatte ich noch nie getroffen. Sie sehen und sie lieben war quasi eins«, berichtete Löwgen, als er nach ihr gefragt wurde. Pia sah die Aufnahmen von Annegrets Leiche vor sich, den klaffenden Schnitt in ihrem Hals … und spürte dabei, wie es gewesen war, als Löwgen ihr am Vorabend die Glasscherbe an den Hals gesetzt hatte. »Ich weiß, was Sie jetzt denken, aber ich habe Annegret nicht umgebracht«, versicherte er. »Ich hatte überhaupt keinen Grund dafür. Sie hatte mir etwas versprochen, wenn wir den Plan durchgezogen hätten …«
Nach der Übersetzung der Commissaria warf Petrucci etwas ein, doch Vittoria Sponza konzentrierte sich auf ihren Chef Carlini, der diesen Teil der Befragung leiten sollte. »Was hat sie Ihnen versprochen?«
»Das ist privat.«
»In einer Mordermittlung ist nichts privat. Wie genau sah Ihre Beziehung zu Annegret Dreyling aus, Herr Löwgen?«
»Ich sagte doch schon, dass ich sie liebte – aber rein platonisch, wie eine Schwester.« Er zögerte, wirkte irritiert über seine eigenen Worte, fing sich jedoch schnell wieder. »Ich habe respektiert, dass sie verheiratet ist. Wir hatten keine sexuelle Beziehung, und ich hatte keinen Grund, sie zu töten!«
Diese Aussage war noch eine Weile Gegenstand der Befragung, bis sich Carlini dem nächsten Punkt zuwandte.
»Was geschah an dem Tag, als Annegret Dreyling ermordet wurde? Erzählen Sie der Reihe nach«,
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