Tödliche Mitgift
zurückgekommen und hatte dann mehrere Stunden lang wach im Bett gelegen und versucht, sich ein Bild über die Ereignisse in Umbrien zu machen.
Pia war hierhergekommen, um bei der Aufklärung des Mordes an einer deutschen Touristin zu helfen, und dabei in die Ermittlungen um Kunstraub und illegalen Kunsthandel verwickelt worden. Dass ein Deutscher, Georg Regner, der Käufer der gestohlenen Ware war, machte die Sache in ihren Augen nicht einfacher, und an seinen Mitarbeiter Techow wollte sie erst gar nicht denken.
»Buongiorno«, grüßte Vittoria Sponza sie, als Pia das Büro in der Questura betrat. »Non è una giornata meravigliosa?« Vielleicht hatte sie die Nase voll vom Übersetzen?
»Si«, sagte Pia. »Ein wundervoller Tag. Was liegt an für heute?«
»Ich fahre Sie nach dem Mittag zum Flughafen. Wir müssen rechtzeitig aufbrechen, die Straßen werden voll sein.«
»Gibt es Neuigkeiten? Sind Gisberto Rizzo und Caterina Nowak irgendwo aufgetaucht?«, erkundigte sie sich.
»Nein. Sie sind immer noch verschwunden. Aber Capitano Petrucci hat heute ausgesprochen gute Laune. Der Fang, den er gestern Abend gemacht hat, ist wohl noch bedeutender, als er gedacht hatte. Es befand sich auch eine Marmorstatue Apollos mit einem Greif unter dem Diebesgut, die Petrucci wohl schon lange verloren geglaubt hatte. Er ist so glücklich darüber, dass Sie gleich noch an der geplanten Einsatzbesprechung teilnehmen dürfen.«
Pia suchte nach Anzeichen von Ironie oder Spott in der Miene der Commissaria, fand aber keine. »Das freut mich. Was geschieht nun mit Bernhard Löwgen? Wie lange werden Sie ihn noch hierbehalten?«
»Höchstens ein paar Tage. Wir haben nicht genug Beweise, um ihn des Mordes anklagen zu können. Wahrscheinlich war er es nicht. Löwgen und die Dreyling hatten sich meines Erachtens auf Geschäfte eingelassen, die mindestens drei Nummern zu groß für sie waren. Vielleicht wussten sie ab einem bestimmten Zeitpunkt zu viel und wurden deshalb zum Schweigen gebracht. Bei den Summen, bei denen es im internationalen illegalen Kunsthandel geht, spielt ein Menschenleben keine große Rolle. Ich vermute, Annegret Dreyling wurde ab einem gewissen Zeitpunkt zu gefährlich für die Unternehmung.«
»Genauso wie Matthias Nowak?«
»Ja. So in etwa.«
Sie schwiegen einen Moment. Was für eine Verschwendung!, dachte Pia. Erst Annegret Dreyling, dann ihr Bruder. Sie musste an die Mutter der beiden denken.
Der Vormittag verging in einer zermürbenden Debatte, von der Pia nur Bruchteile mitbekam, weil Vittoria Sponza nicht die ganze Zeit für sie dolmetschen konnte. Capitano Petrucci und seine Leute vom TPA hatten mit dem Zugriff am vorherigen Abend einen großen Erfolg zu verzeichnen. Sie hatten antike Kunstschätze sichergestellt, die eindeutig aus illegalen Raubgrabungen stammten. Ursprünglich waren sie von verschiedenen Tombaroli aus der Region Neapel, insbesondere Santa Maria di Capua Vetere, über einen Zwischenhändler, einen sogenannten capo zona, an Paolo Sassone verkauft worden, der sie in einem Kellerraum in seinem Haus in Perugia gelagert hatte. Sassone saß seit drei Monaten in U-Haft, und Gisberto Rizzo, einer seiner erbitterten Konkurrenten in dem zunehmend schwieriger und härter werdenden Geschäft, hatte es für eine gute Idee gehalten, die Artefakte während Sassones Gefängnisaufenthalt aus dessen Besitz zu stehlen und Georg Regner selbst zum Kauf anzubieten. Da Rizzo, wenn er sich in Italien aufhielt, fast rund um die Uhr von den Carabinieri überwacht wurde, sein Telefon abgehört und seine Bewegungen verfolgt wurden, musste er sich für den geplanten Coup Hilfe holen. Jemanden, der in Umbrien ein unbeschriebenes Blatt war und der eine glaubwürdige Begründung für seine Anwesenheit vorweisen konnte. An diesem Punkt war, wie Bernhard Löwgen behauptet hatte, Matthias Nowak ins Spiel gekommen, der Ehemann von Rizzos Nichte und Patenkind Caterina. Gerade aus dem Gefängnis entlassen, ohne Job und ohne finanzielle Mittel, war es sicherlich nicht sehr schwierig gewesen, Nowak für den Job zu gewinnen, der beinhaltete, ein Zwischenlager anzumieten, ein Transportfahrzeug zu organisieren, die Artefakte aus Sassones Haus zu entwenden und bis zur Übergabe an Regner zu verstecken …
Wie und warum Bernhard Löwgen dazugestoßen war, konnten sie bisher nur vermuten. Wahrscheinlich war Nowak allein nicht in der Lage gewesen, den Einbruch in Sassones gut gesichertes Haus zu bewerkstelligen. Und um Löwgen zu
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