Tödliche Nähe
darauf geben, aber Deskription und Schmuckstück stimmen bis ins letzte Detail überein. Selbst der Saphir passt. Und Carter Jennings war an dem entsprechenden Wochenende tatsächlich verreist. In Chicago fand zu diesem Zeitpunkt ein großer Kunsthandwerksmarkt statt, auf dem er einen Stand hatte – das konnte ich auf der Website prüfen. Er fährt jedes Jahr dorthin.«
»Ach, ja?« Sie drückte sich vom Schreibtisch ab. Selbst mit ihren Mörderabsätzen maß sie keine eins achtundsechzig, doch was ihr an Größe fehlte, machte sie durch Selbstbewusstsein wieder wett. »Viele Leute waren an dem Wochenende in Chicago. Das ist ja der Witz an einer Großstadt.«
»Sie werden mir diesen verdammten Haftbefehl nicht geben, oder?«
»Wegen eines Armbands? Das eine gestörte, verzweifelte Frau Ihnen gegeben hat?«
»Nia Hollister ist nicht gestört. Verzweifelt, das mag sein, aber gestört ist sie auf keinen Fall.« Ezra griff nach der Tüte mit dem Beweismittel und dem Bericht. Scheiße, Scheiße, Scheiße! »Na schön. Dann treibe ich eben noch mehr belastendes Beweismaterial auf; ich bekomme diesen verdammten Haftbefehl schon noch, Beulah. Ich hatte schon die ganze Zeit über so ein komisches Gefühl dabei, wie der Carson-Fall ausgegangen ist – das Ganze war einfach zu simpel. Und wenn eine so komplizierte Geschichte zu simpel wirkt, dann hat das eventuell einen Grund.«
Er marschierte zur Tür.
»Ezra, Sie müssen sich beruhigen. Sie können in unserem Bezirk noch viel bewegen …«
Er blieb stehen und schaute sie wütend an. »Scheiß auf die Karriere, Beulah. Wozu ist meine Dienstmarke gut, wenn ich die Menschen nicht vor einem Mörder beschützen kann, der Gott weiß wie lange schon genau vor unserer Nase herumläuft?«
»Sie irren sich«, widersprach sie kopfschüttelnd. »Carter ist kein Mörder. Sie irren sich.«
»Und wenn nicht ?« Er riss die Tür auf.
Während er aus ihrem Büro stürmte, ließ Beulah sich bestürzt auf ihren Stuhl sinken.
Die Überzeugung in seinen Augen und seiner Stimme beunruhigte sie.
Mit Cops kannte sie sich aus. Sie mochte vielleicht nur eine Bezirksstaatsanwältin in einer Kleinstadt sein, aber mit Bullen hatte sie so ihre Erfahrungen. Und sie würde die schicken High Heels, die sie sich am Abend zuvor im Internet gekauft hatte, darauf verwetten, dass Ezra ein guter Cop war – ein ziemlich kluger Mann noch dazu. Er wirkte nicht wie jemand, der blind draufloswütete.
Sie drückte sich eine Hand auf den Magen, schloss die Augen und dachte krampfhaft nach.
Wenn er sich irrte, würde ihn das den Job kosten. Ash, Kentucky, würde einem Fremden, der einen von ihnen attackierte, nicht vergeben – und schon gar nicht, wenn es um jemanden wie Carter Jennings ging.
Aber wenn er recht behalten sollte …
»Was für ein Mist!«
So wie Ezra es sah, hatte er nun zwei Möglichkeiten – na ja, eigentlich drei, aber eine davon war nicht wirklich eine Option. Diese dritte – die Un möglichkeit – würde bedeuten, mit Remy zu sprechen. Remy Jennings, Carters Cousin und der andere Staatsanwalt ihres Bezirks. Eine Unmöglichkeit erster Güte, soweit Ezra es beurteilen konnte, denn wenn Beulah ihm nicht geglaubt hatte, warum sollte Remy es dann tun?
Ihn konnte er also von der Liste streichen.
Die zweite Option bestand darin, mit einer Handvoll seiner Männer herumzufahren und ein paar Fragen zu stellen. Selbst wenn er nur einen oder zwei der Jungs mitnahm, eben jene, denen er am meisten vertraute; verflucht, sagen wir einen, zum Beispiel Keith. Möglicherweise fanden sie jemanden, der irgendetwas gesehen hatte. Konnte ein Mann wirklich so lange im Verborgenen agieren, ohne irgendwem sein wahres Ich zu offenbaren? Das schien unmöglich zu sein.
Aber das würde zu lange dauern. Ezra wusste nicht, wie viel Zeit ihnen noch blieb. Sein Bauchgefühl sagte ihm: ›Beeilung, Beeilung, Beeilung‹, weshalb er bezweifelte, dass sie zu lange warten durften.
Abgesehen davon gab jede einzelne Minute, die verstrich, Carter die Gelegenheit, weiter seine Spuren zu verwischen. Was er bisher bereits verdammt gut gemacht hatte.
Und die dritte Möglichkeit lautete schließlich, zum Inn zu fahren. Vielleicht würde er Carter dazu bringen können, in Panik zu verfallen. Oder Roz trug womöglich ein anderes Schmuckstück – großer Gott. Dieser blöde Schmuck …
Als er wieder ins Auto stieg, zog er das Handy aus der Tasche. Er musste mehr über die Sache erfahren. Hatte Nia vielleicht noch mehr
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