Tödliche Nähe
bekam es beinahe mit der Angst zu tun – anscheinend hatte er einen sehr schrägen Humor.
Doch sein Gesichtsausdruck blieb ernst.
Law wirkte sogar etwas bedrückt.
Er ließ sich Zeit, stellte die Suppe auf den Herd und wendete den Speck in der Pfanne. Es duftete so lecker, dass ihr Magen zu grummeln anfing und sie überlegte, ob sie es wagen sollte, einen Streifen zu stibitzen.
Doch dann blickte er sie mit seinen braunen Augen durchdringend an. Wie man dermaßen düster und grüblerisch dreinschauen konnten, war ihr zwar ein Rätsel, aber er schaffte es irgendwie. Ihre Knie wurden weich, und mit einem Mal fing ihr Herz an zu rasen.
»Warum bist eigentlich wieder in Ash, Nia?«, fragte er leise.
»Wie bitte?«, entfuhr es ihr, und noch während sie die Worte aussprach, hätte sie sich am liebsten selbst geohrfeigt. Sich dumm zu stellen, würde bei ihm nicht ziehen. Aber sie wusste nicht, was sie auf seine Frage entgegnen sollte.
Sag ihm die Wahrheit , sagte ihre innere Stimme.
Niemals , riet ihr Verstand.
Doch mit jeder Faser ihres Körpers wollte sie ihrem Bauchgefühl folgen.
Die Wahrheit – sag ihm die Wahrheit.
Und was, wenn er sie auslachte? Wenn er ihr nicht glaubte?
Was, wenn – Gott bewahre – sie ihm einfach nur leidtat, er ihr tröstend die Schulter tätschelte und sie dann wegschickte?
Sie musste schlucken, wischte sich noch einmal die Handflächen an dem übergroßen T-Shirt ab und starrte Richtung Fenster. Der dünne Vorhang war zugezogen, aber da es offen stand, kam hin und wieder eine leichte Brise hereingeweht und blähte den Stoff auf. Sie konzentrierte sich auf das leichte Wogen und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen.
Wo konnte sie bloß anfangen?
Sollte sie ihm die Wahrheit erzählen?
»Nia?«
Sie schluckte schwer und wandte ihm ruckartig den Kopf zu.
Plötzlich schien alles klar zu sein.
Ja. Sie würde ihm die Wahrheit erzählen. Aus irgendeinem Grund wusste sie, dass er sie nicht auslachen, ihr die Wange tätscheln und sie fortschicken würde. Ob er ihr jedoch glaubte, stand auf einem anderen Blatt. Aber zumindest war sie sich sicher, dass er ihr zuhörte.
»Wegen meiner Cousine«, antwortete sie schließlich.
Law nickte. »Dachte ich mir schon. Warum sonst solltest du wieder zurückkommen?«
Auf einmal spürte sie einen riesigen Kloß im Hals. Und als sie schluckte, hatte sie das Gefühl, fast zu ersticken – an den Tränen, die in ihr aufstiegen, an all dem Schmerz. »Man sollte meinen, dass es mit der Zeit leichter wird, nicht wahr? Laut Ermittlungsakte haben sie ihren Mörder schließlich gefunden. Damit sollte ich wohl einen Schlussstrich unter die Angelegenheit ziehen, oder? Was könnte es mir noch leichter machen, nach vorn zu schauen?«
Eine ganze Zeit lang schwieg er. Außer dem Zischen der Pfanne war nichts zu hören. Dann drehte er sich um, stellte die Suppe auf kleinere Flamme und holte mit einer Gabel den Speck aus der Pfanne.
»Das hört sich so an, als würdest du versuchen, das Ganze nach Schema F abzuhandeln, Nia. Das geht aber nicht. Um derartige Schmerzen zu überwinden und einen solchen Verlust zu verarbeiten, gibt es keinen richtigen oder falschen Weg. Du musst deinen eigenen finden, um damit fertigzuwerden«, sagte er, wandte sich ihr wieder zu und stellte sich vor sie. Zärtlich umfasste er ihr Gesicht und strich ihr mit dem Daumen über die Unterlippe.
Seine Berührung drückte eine solche Zuneigung aus und in seinem Blick lag so viel Mitgefühl, dass es ihr schier das Herz brach.
Doch sie spürte auch Wut in sich aufsteigen … endlich . Sie gab ihr die Kraft, die sie brauchte. Nia griff nach seinem Handgelenk, nicht um Law wegzudrücken, sondern um ihn festzuhalten. Ob sie Halt suchte oder seine Aufmerksamkeit wollte, konnte sie nicht sagen.
»Ich werde damit nicht fertig, Law. Nicht jetzt zumindest. Noch nicht.« Sie stieß einen Seufzer aus und fixierte mit ihrem Blick seine Brust – atmete ein und wieder aus. »Ich kann nicht damit abschließen, weil ich nicht daran glaube, dass Joe Carson derjenige war, der meine Cousine umgebracht hat.«
Hope konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal gepicknickt hatte.
Auch wenn es eigentlich kein richtiges Picknick war.
Schließlich hatte es kurz zuvor bei Remys Mutter Elizabeth ein reichhaltiges Mittagessen gegeben.
Sie wurde von der Frau dermaßen bemuttert, dass es ihr fast schon peinlich war und sie aufgrund des liebenswürdigen Verhaltens langsam, aber sicher ein schlechtes
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