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Toedliche Offenbarung

Titel: Toedliche Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Kuhnert
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Kriegstagen an Celle vorbeizogen.
    Die Engländer waren am Anfang nett zu uns. Den Kindern gaben sie Schokolade und Kaugummis. Oder waren das die Amerikaner? Ist ja auch egal.
    Das änderte sich, als sie am 15. April das Lager in Bergen-Belsen öffneten. Danach waren die wie ausgewechselt. Dabei hatten wir doch gar nichts damit zu tun. Wir wussten doch nicht einmal, dass es so ein Lager gab.
     
    Wilhelm Trott
    Hab ich mir gedacht, dass Sie irgendwann auf den Prozess kommen.
    Bei dem Gerichtsverfahren hier ging es um die Übergriffe in der Nacht vom 8. auf den 9. April. Ein englischer Sergeant marschierte überall herum. Aber er konnte fragen, soviel er wollte, keiner hatte etwas gesehen und gehört. Uns Kinder ließen sie aus. Dabei wären wir die Einzigen gewesen, die geredet hätten. Die anderen hatten sich alle abgesprochen. Die Polizisten bescheinigten sich gegenseitig, dass sie nur über die Köpfe geschossen haben. Also waren sie aus dem Schneider.
    Wenn Sie mich fragen, war der ganze Prozess eine Farce. Vierzehn Männer wurden angeklagt. Der Großteil der Polizisten in jener Nacht kam von außerhalb, die kannte also keiner hier. Wo kein Kläger, da keine Anklage. Das kennen Sie. Aber hier galt: Wo kein Zeuge, da kein Beweis.
    Es kam zu sieben Freisprüchen. Ja, der Bollund war dabei. Der hatte ja angeblich auch nur in die Luft geschossen. Die anderen haben das bestätigt.
    Drei Angeklagte verurteilte man zum Tode. Die wurden aber später begnadigt.
     
    Elfriede Trott
    Was soll ich Ihnen über das Gerichtsverfahren sagen, das stand alles lang und breit in der Presse.
    Also ich fand das nicht richtig, dass der Amelung, der Decker und der Joost zum Tode verurteilt wurden. Bei dem Joost haben sie es ja schon drei Monate später wieder zurückgenommen und ihn wegen unzureichender Beweise freigesprochen. Amelung und Decker sind doch quasi für ihre Ehrlichkeit bestraft worden. Hätten die wie die anderen behauptet, dass sie auf Befehl eines Vorgesetzten gehandelt oder über die Köpfe geschossen hätten, wäre die Sache erledigt gewesen. Aber so waren die Engländer froh, überhaupt jemandem die Schuld in die Schuhe zu schieben. Die zwei wurden stellvertretend für all die bestraft, die für Volk und Vaterland geschossen haben und dann feige in Deckung gegangen sind. Denn das muss mal gesagt werden: Frauen waren nicht mit dabei. Die Männer waren doch damals wie von Sinnen, wie im Blutrausch. Der Bollund …
    Halt, das habe ich nicht gesagt und werde ich auch nicht vor Gericht wiederholen.
     
    Dora Müller
    Dieses englische Gerichtsverfahren war wirklich seltsam. Dieser Sergeant lief wie blind durch die Gegend, bekam kaum vernünftige Antworten und tappte im Dunkeln. Da habe ich dem auch nicht viel gesagt. War ja schließlich unser Feind. Gut, unser ehemaliger, aber trotzdem. Man weiß ja nie.
    Protokolle gab es von diesen Sitzungen auf dem Schloss in den letzten Tagen des Krieges nicht. War alles geheime Angelegenheit. Wir Sekretärinnen hatten nicht viel zu tun, mussten uns nur bereithalten. Fakt ist, dass der Oberbürgermeister Meyer zuständig für alle Maßnahmen nach einem solchen Bombenangriff war. Der Meyer hat aber später erklärt, dass er in diesen Tagen krank war. Er sei wegen seiner Herzprobleme dienstunfähig gewesen. Dabei habe ich ihn auf den Sitzungen gesehen, auch am Abend des 8. April, das weiß ich ganz genau.
    Das fand ich seltsam, dass da niemand widersprochen hat.
    Nein, ich habe natürlich auch nichts gesagt. Wenn mich jemand gefragt hätte, dann vielleicht. Aber so?
     
    Friedrich Bollund
    Sie wollen dafür sorgen, dass die Verfahren wieder neu aufgerollt werden?
    Ist das eine Drohung?
    Ich will Ihnen mal was sagen: Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Kein Mensch hat Interesse an einem solchen Verfahren.
    Ach, Sie haben neue Zeugen. Interessant. Da bin ich aber gespannt.
     

4
     
    Beckmann lenkt seinen Volvo über die Celler Straße zur Hamburger Allee, fädelt sich nach einigen hundert Metern rechts auf die Vahrenwalder Straße ein. Gleich an der ersten Ampel biegt er erneut rechts ab.
    Er parkt vor dem hohen Eisenzaun des Landeskriminalamtes und meldet sich beim Pförtner. Keine zwei Minuten später steht ihm Vanessa gegenüber, die es sich nicht hat nehmen lassen, ihn direkt abzuholen. Sie fasst ihn an der Hand und zieht ihn hinter sich her ins Treppenhaus.
    »Schön, dich mal wieder zu sehen. Hast dich ja am Telefon ziemlich rar gemacht.« Sie strahlt ihn an.
    Unsicher, wie er

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