Toedliche Offenbarung
diesen Frontalangriff überstehen soll, zuckt Beckmann mit den Schultern.
»Ich hatte viel zu tun. Neuer Posten, neue Wohnung.«
»Bei mit gibt es auch was Neues.« Erwartungsvoll legt sie den Kopf zur Seite, schüttelt ihre langen blonden Haare und setzt dieses Lächeln auf, das ihn vom ersten Augenblick an die Sprache verschlagen hat. Der Leberfleck rechts über der Oberlippe zieht sich ein Stück nach oben, und er muss an Cindy Crawford denken – so wie jedes Mal, wenn Vanessa ihm begegnet.
Als Beckmann nichts sagt, streckt sie ihm ihre Hand entgegen. Verwirrt starrt er auf ihre schlanken Finger und die ovalen, hellrosa lackierten Fingernägel. Sie reckt ihren Ringfinger in die Höhe und dreht mit dem rechten Zeigefinger an dem glitzernden Ring.
»Ich bin verlobt.«
»Glückwunsch.«
»Dominik und ich haben uns versöhnt. Er hält es ohne mich nicht aus und hat mir einen Heiratsantrag gemacht. Im November ist Hochzeit.«
Beckmann erinnert sich dunkel an das gerahmte Foto eines gutaussehenden dunkelhaarigen Mannes, das umgedreht auf ihrem Nachttisch gelegen hat.
»Du könntest dich ruhig ein bisschen mehr für mich freuen – oder bist du in letzter Zeit immer so einsilbig?«, trällert sie und läuft vor guter Laune fast über.
Mittlerweile sind sie in den Räumen der Abteilung 5 der Fachgruppe für DNA-Analytik und Molekulargenetik angekommen. In den Gängen stapeln sich nach wie vor die Akten, sie sind nur weiter in der Höhe angestiegen. Mit dem seit Jahren geplanten Neubau ist man noch keinen Schritt weitergekommen.
Vanessa biegt links in einen schmalen Flur ein und führt ihn in eins der vier Spurenlabore. Auf einem Tisch liegt eine Jeans. Sie reicht Beckmann eine Brille und setzt sich selbst auch eine auf.
»Warum ist das Glas orange?«, will er wissen.
»Zum Schutz für deine Augen.« Vanessa schaltet die CrimeScope ein und das Deckenlicht aus. »Ich habe Trotts Hose extra für dich liegengelassen. Ich möchte dir etwas zeigen, damit du mein Ergebnis besser zu würdigen weißt.«
Der Raum ist in blaues Licht getaucht und auf den Hosenbeinen schimmert es gelblich.
»Mit Hilfe dieser forensischen Lichtquellen kann man Fingerabdrücke, Haare, Fasern, Blut, Sperma und andere Körperflüssigkeiten wie Spucke und Urin fluoreszierend sichtbar machen. Auf der Jeans von Broderich habe ich so Urinspuren im gesamten Bereich der Beine, sogar an den Hüften entdeckt und ein DNA-Extrakt daraus gewonnen.«
»Der Mann hat sich vielleicht vor Angst in die Hose gemacht. Das soll öfter vorkommen.«
Sie ignoriert seinen Einwand und redet unbeirrt weiter.
»Das Gleiche habe ich mit Trotts Hose gemacht. Auch hier findet sich Urin auf dem Stoff.«
Beckmann wirft ihr einen fragenden Blick zu und beginnt zu ahnen, dass es jetzt interessant wird.
»Nun brauche ich ein paar Stunden Zeit für die DNA-Probe. Wenn sie übereinstimmt …«
Er nickt bedächtig. »… benötigen wir nur noch die entsprechende Gegenprobe und wir haben den Täter.«
Vanessa grinst. »Genau.«
5
An den hellen Chromteilen des schwarzen Motorrads hängen Faserfäden grüner Wasserpflanzen. Ob das wirklich das Wunderwerk auf zwei Rädern mit dem neuen wassergekühlten Vierzylinder-Reihenmotor ist, von dem der Kollege der Kriminaltechnik so geschwärmt hat?
»Was ist …?«, weiter kommt Streuwald nicht.
»Armleuchteralgen und Laichkraut sind das«, belehrt ihn ein Mann um die sechzig, Mitglied des Sportfischereivereins, der mehrere hintereinander liegende Teiche am Rande von Neuwarmbüchen gepachtet hat.
»Sauerei, so etwas in den Fischteich zu werfen«, ereifert er sich, kaum hat er das Zucken um Streuwalds Mundwinkel bemerkt. »Da ist Benzin ausgelaufen. Sehen Sie die schillernden Schlieren?« Aufgebracht dreht er seine dunkle Schiebermütze auf dem Kopf hin und her.
»Kalle, das sieht nicht gut aus.« Der Anglerkollege im grünen Drillich bohrt sich mit dem Zeigefinger in der Ohrmuschel. »Hoffentlich haben die ausgesetzten Forellen keinen Schaden genommen – und die Seerosen.«
»Wer haftet eigentlich dafür?« Der mit der Schiebermütze geht auf den Polizisten zu und stemmt die Arme fordernd in die Hüfte.
Streuwald zuckt mit den Achseln. »Keine Ahnung.« Bloß weg von hier – ist der Gedanke, der ihn beherrscht.
»Das geht so aber nicht. Da muss doch …« Der in dem Drillich hat endlich den Finger aus dem Ohr gezogen.
Streuwald hört nicht mehr hin und hat schon einen Schritt zur Seite gemacht, als Borgfeld ihm
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