Toedliche Offenbarung
bloß keine vorzeitigen Schlüsse ziehen. Das könnte fatale Folgen haben. »Und?« Streuwald kratzt sich nervös am kleinen Finger. »Was bedeutet das alles?«
Beckmann dreht sich mit einem Ruck zu ihm um.
»Immerhin wissen wir dann, dass dieser Matusch an allen Tatorten war. Falls er nicht selbst der Täter ist, war er zumindest mit dabei.« Beckmann schickt ein Stoßgebet zum Himmel. Hoffentlich kommen die Ergebnisse dieser DNA-Auswertung bald. Vielleicht sollte er Vanessa anrufen.
»Wo ist die Hose von Felix?«
»Im Patientenschrank in Celle«, sagt Borgfeld in einem Ton, der nahe legt, dass kein anderer Ort dafür denkbar gewesen wäre.
»Worauf warten Sie? Setzen Sie sich ins Auto und holen Sie sie, bevor jemand noch auf die Idee kommt, sie in die Waschmaschine zu stecken. Anschließend bringen Sie die Hose ins Labor nach Hannover. Ich benachrichtige die dort schon, dass noch eine dringende Untersuchung dazwischen geschoben werden muss.« Beckmann hält kurz inne. »Und nehmen Sie die Ausdrucke der Fotos mit, damit Felix seinen Drangsalierer identifizieren kann.«
23
Müller erbleicht und seine Augen verengen sich. Sein Kiefer schiebt sich von links nach rechts und sein Atem geht schwer.
»Von wem sprechen Sie?«, stößt er eine Spur heftiger als gewollt aus.
»Von Clara Rosenthal.«
»Kenne ich nicht.« Es gelingt ihm nicht mehr, sein Gesicht unter Kontrolle zu halten. Sein rechter Mundwinkel zuckt nervös.
»Sie kennen Clara nicht? Aber sie hat Sie doch 1952 interviewt. Erinnern Sie sich wirklich nicht?«
Müller kann sich nur mühsam beherrschen. Hass sprüht ihr aus seinen Augen entgegen.
»Mag sein, das ist lange her. Das habe ich wohl vergessen.« Seine Stimme bricht beim letzten Wort weg und ihm ist anzumerken, dass er mit seiner Beherrschung ringt, die er um jeden Preis verteidigen will. Als wäre sie das letzte Bollwerk gegen den Feind.
»Ich habe Clara letzte Woche getroffen und sie hat mir aufgetragen, dass ich Ihnen Grüße bestellen soll.«
»Hat sie?« Er würgt den Satz heraus und spuckt ihn Martha vor die Füße. Seine Fassade bröckelt Sekunde zu Sekunde mehr. Wutverzerrt stürzt sich Müller mit einem Schwung auf Martha, den man dem alten Mann nicht zugetraut hätte.
Schon im nächsten Moment umklammern seine kräftigen Hände ihren Hals.
24
Matusch überquert die träge vor sich hin fließende Aller und biegt direkt dahinter in die Wittinger Straße ab. Gepflegte Villen reihen sich aneinander, Rosen wetteifern mit Buchsbaum.
Matusch parkt den Pick-up unterhalb des Celler Krankenhauses neben der dicht bepflanzten Böschung. Während der gesamten Fahrt hat er versucht, sich einen Plan zurechtzulegen, aber er ist nicht weit gekommen. Alles hängt davon ab, wo er Karl zu fassen bekommt. Am schwierigsten wird es, wenn dieser Verräter irgendwo in dieser verschachtelten Klinik bei dem anderen Weichei ist. Er kann doch nicht durch alle Zimmer gehen und ihn suchen. Nicht einmal den Nachnamen von dem Typen weiß er.
In was für eine Scheiße ist er da nur hineingeraten? Hätte er Karl doch damals beim Fußball einfach stehen gelassen. Er ist eben immer wieder zu gut zu den anderen, glaubt, dass er sich kümmern muss. Einen Scheiß muss er sich um andere kümmern. Das hier biegt er jetzt noch gerade, und dann sind nur noch seine Sachen dran. Vielleicht ergeben sich ja in Schweden ganz neue Dinge. Und die lässt er sich nicht von diesem Idioten verderben.
Matusch öffnet die Fahrertür und springt heraus. Es gibt nur eins: Er muss seinen alten Kumpel abpassen und überreden, mit ihm ein Bier zu trinken. Er könnte ihm anbieten, ihn zum Bahnhof zu fahren oder … Plötzlich hat er die zündende Idee: Er sagt ihm, dass er auch aussteigen will, dass er die Nase von Wörstein voll hat.
Je länger er darüber nachdenkt, desto besser gefällt ihm dieser Gedanke. Der Idiot wird das schlucken, da ist sich Matusch ganz sicher. Sie würden als Freunde mit dem Auto losfahren und dann – würde er weitersehen. Es gibt genug Wald zwischen Celle und Hannover, um mit Wörsteins kleiner Selbstladepistole alles zu klären.
Nach ein paar Metern auf dem asphaltierten Fußweg kommt die Treppe, die zum Krankenhausgelände hochführt. Matusch sieht nach oben. Wie viele Stufen mögen es sein? Fünfzig, hundert? Er nimmt die ersten Stufen im schnellen Tempo und zählt mit. 13, 14, 15. Das hat er schon als Kind gerne gemacht. In dem Hochhaus in Vahrenheide waren es 86 Stufen bis zur
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