Toedliche Offenbarung
Zwingel sind bleischwere Steine vom Herzen gefallen, als sie merkten, dass sie aus dem Schneider sind und die Akten geschlossen werden.«
»Schließt man tatsächlich die Akten in diesen Fällen?«
»Nicht sofort, Berichte müssen geschrieben werden …«
»Und Wörstein?«, unterbricht Martha ihn und dreht sich ruckartig zu ihm um. »Der steckt doch garantiert hinter der ganzen Sache. Wörstein wollte seinen Mäzen schützen, um ans Geld für seine Partei zu kommen.«
»Stimmt, es gibt nur ein Problem. Wir können es ihm nicht nachweisen. Wie immer wäscht er seine Hände in Unschuld und weiß angeblich von nichts. Matuschenko war ein gewalttätiger junger Mann, hat er im Verhör gesagt. »Ich habe mein Bestes getan, um ihn wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Aber bei dem Versuch der Resozialisierung muss man mit Rückfällen rechnen.« Allerdings haben wir ihm einen schmerzhaften Schlag versetzt. Müller wird den Kauf des Landschulheims rückabwickeln, egal ob Wörstein will oder nicht. So weit sind wir bei den Vernehmungen schon gekommen. Spätestens nächste Woche müssen Wörstein und seine Truppe das Haus räumen.«
»Und hat Müller sonst noch etwas gesagt?«
»Nein, das ist es ja. Der schweigt. Wörstein ist sein Anwalt und wird ihn entsprechend instruiert haben.«
»Eins wundert mich immer noch. Warum ist der Blutschwamm in Müllers Gesicht eigentlich kleiner geworden? Aus Afrika ist jetzt eher Australien geworden. Und heller ist er auch. Schrumpfen solche Flecken mit dem Alter eigentlich?«
»Müller hat sich den Fleck Anfang der neunziger Jahre weglasern lassen. Hat nur zum Teil geklappt.«
Martha Landeck und Max Beckmann schlendern weiter an den Buden der Maschseepromenade vorbei und kommen später als verabredet zum Restaurant Pier 51 , wo Frank Rischmüller Plätze für sie freihält. Eigentlich sollten sich alle am Fall Beschäftigten auf Einladung von Rischmüller hier treffen, aber nicht bei jedem ist diese Idee gut angekommen. Schließlich ist Wochenende.
Streuwald hat sich mit der Begründung entschuldigt, dass heute ein wichtiges Fußballspiel seiner Jungen ausgetragen wird.
Borgfeld ist im Anschluss an die nach wie vor täglich stattfindende Mahnwache mit der gesamten Familie bei den Rinsings eingeladen, die seit gestern von ihrer Paddeltour aus Schweden zurück sind und genau wissen wollen, was passiert ist. Felix ist wieder aus dem Krankenhaus heraus und scheint die Vorfälle gut verkraftet zu haben, trotzdem redet er kaum mit seinen Eltern darüber, was passiert ist. Ursprünglich hat er den Verlust seiner Nikon, seines Fahrrads und des Handys bejammert. Der Angriff von Matuschenko auf ihn im Krankenhaus hat das jedoch in den Hintergrund treten lassen und ihn mehr erschüttert, als er wahrhaben will. Das knappe Überleben von Kevin Fischer hat ihm mehr als deutlich gemacht, dass Matuschenko ernst gemacht hätte, wenn Sonjas Vater nicht dazwischen gekommen wäre. Zum Glück hat er Sonja. Sie versucht, ihm händchenhaltend darüber hinweg zu helfen. Felix kann den Vorfällen so immerhin etwas Gutes abgewinnen.
Maria Borgfeld hat zur Feier des Tages eine Moortorte mit frischer Schlagsahne und Schattenmorellen gebacken, so wie ihr Mann Dieter das liebt. Maria findet, dass es nach all der Aufregung erst einmal genug mit dem Punkte zählen ist. Essen hält Leib und Seele zusammen, besonders jetzt.
Das ist die offizielle Version. Es gibt jedoch noch eine andere. Maria Borgfeld ist beunruhigt. Vorgestern Abend hat ihr Dieter ihr die Hand geküsst – ganz vorsichtig – und sie gefragt, ob sie mit ihm nach Paris fahren möchte. Einfach so. Nur zum Spaß. Da bekam sie sofort Angst, dass etwas mit ihm nicht stimmt. So etwas ist ihm in 25 Ehejahren noch nie eingefallen. Augenblicklich hat sie beschlossen, dass er dringend wieder etwas Vernünftiges essen müsse, bevor er endgültig auf dumme Gedanken kommt. Bei Männern um die fünfzig muss man aufpassen, das sagen alle ihre Freundinnen.
Chefredakteur Mittenwald sitzt bei den heutigen hochsommerlichen Temperaturen lieber in seinem Garten, hat jedoch signalisiert, dass nach dem positiven Bericht des Fachmanns vom Celler Archiv nichts dagegen spricht, die Interviewsammlung von Clara zu veröffentlichen. Erst in Fortsetzungen in der Zeitung und später in Buchform. Vielleicht ist es auch das schlechte Gewissen, das ihn plagt, seit ihm klar geworden ist, in welch gefährliche Situation er Martha und Trixi gebracht hat. Nicht
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