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Toedliche Offenbarung

Titel: Toedliche Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Kuhnert
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»Während Sie also mit den Kollegen in Ihrer gewohnt zügigen Art den Fall lösen«, um ihre Mundwinkel bildet sich ein verschmitzter Zug, »suchen Sie nebenbei nach dem Jungen. Oder umgekehrt. Das ist unser Angebot.«
    Sie zieht an der Zigarette und wirft ihm einen Blick zu, der zwischen Spott und Skepsis liegt.
    »Sie stellen sich Ihr Team in der Polizeiinspektion in Burgdorf am Montag zusammen. Borgfeld und Streuwald sind Ihnen bereits zugeordnet.«
    Beckmann zückt ein Einwegfeuerzeug.
    »Ich rauche nur trocken.« Angewidert schnalzt sie mit der Zunge, pult sich zwei Tabakfasern von der Lippe und schnipst die Krümel auf den Fußboden.
     

53
     
    »Das kannst du echt nicht machen, mich da einfach stehen lassen. Dass meine verloren haben, ist schon schlimm genug, aber dann musste ich den Trainer aus Heeßel auch noch bitten, mich im Mannschaftsbus mit zurück nach Burgdorf zu nehmen. Weißt du, was das heißt? Während der ganzen Rückfahrt musste ich mir den Lobgesang auf seine Jungen anhören. Ich hätte kotzen können.«
    Streuwald schäumt vor Wut. Lässt Borgfeld ihn da einfach alleine und ohne Auto zurück – und alles nur, weil ihm irgendein Pups wegen seiner Scheißdiät quer sitzt.
    »Auch Fritze ist stinksauer. Für Leute, die seine Frikadellen verschmähen, hat er nichts übrig. Überhaupt nichts. Bei dem brauchst du dich so schnell nicht wieder sehen lassen.«
    »Papa hilft mir.«
    Streuwald zuckt zusammen, als er die verheulte Stimme von Borgfelds Tochter hört, die er schon als Baby auf seinem Schoß gehalten hat und für die er zu jedem Geburtstag ein kleines Geschenk bereithält.
    »Was ist denn passiert?« Er klingt sofort versöhnlich.
    »Felix ist verschwunden.« Sonja versucht ihm in wenigen Worten die Ereignisse zu erklären, verhaspelt sich aber immerzu.
    »Felix Rinsing?« Streuwald kennt den Jungen. Früher hat er den talentierten Linksfuß trainiert, sein Tempo beim Laufen hat ihn beeindruckt. Aus dem hätte was werden können, doch von einem Tag auf den anderen kam er nicht mehr zum Training. Eigentlich schade.
    Gerade als Sonja von den Schüssen berichtet, klingelt Borgfelds Handy. Er sagt nichts, sondern hört nur zu, was der andere sagt. Schließlich murmelt er: »Verstanden.«
    Streuwald und Sonja verfolgen jede seiner Bewegungen mit den Augen.
    »Und?« fragen sie im Chor, als das Gespräch beendet ist.
    »Das war Beckmann. Er hat den Durchsuchungsbefehl. Die Mackenrodt hat grünes Licht gegeben. Außerdem ist er vom LKA abkommandiert worden, den Fall Broderich zu übernehmen. Er ist ab jetzt Leiter der Sonderkommission Golfball .«
    Streuwald zieht sich einen Stuhl an den Schreibtisch. Aus der Traum von der intensiven Saisonvorbereitung mit seiner Mannschaft. Aber vielleicht klappt es dafür ja mit einer Beförderung.
     

54
     
    Erste Wolken tauchen am Himmel auf, weiße Tupfen auf blassem Hellblau. Es ist immer noch heiß, obwohl es bereits auf 17:00 Uhr zugeht.
    Müde und satt von Pfifferlingen und Bratkartoffeln sitzt Martha auf der Bank unter der schattenspendenden Linde. Es gibt Tage, die könnten eine Woche füllen. Erst ein Toter, dann ein verschwundener Junge – und Max Beckmann mittendrin. Zum Glück hat er mit diesem Fall nichts zu tun, sonst würden sich ihre Wege unweigerlich kreuzen – und sie ist sich nicht sicher, ob sie schon in der Lage ist, ein normales Verhältnis mit ihm zu haben.
    Ihr Blick fällt auf den Papierstapel neben ihr. Die Fotokopie des Tagebuchs. Sie gießt sich ein Glas Zitronenwasser ein, greift nach den Blättern und überfliegt das Interview mit Herbert Müller, danach kommt eine neue Person zu Wort.
     
    Aaron Borgas, Jahrgang 1923, 29 Jahre, Buchhalter, jetzt wohnhaft in Hannover
    Hunger. In jenen Tagen war mir ganz schwindelig, manchmal wurde mir schwarz vor Augen. Wann hatte ich die letzte warme Mahlzeit bekommen, nicht nur eine Kante trockenes Brot? Aber jetzt gab es nicht einmal das. Und es war auch nicht klar, wann es das nächste Mal etwas zu essen geben würde.
    Stundenlang waren wir in diesem Güterzug durchgeschüttelt worden auf der Fahrt ins nächste Lager. Alle Knochen taten uns weh, doch danach fragte niemand. Wie Vieh hatte man uns verladen und eingepfercht. Viel unterschied uns auch nicht davon. Mit unseren kahlrasierten Köpfen, den zum Skelett abgemagerten Körpern und der gleichförmigen, graublau gestreiften Häftlingskleidung hatten wir kaum noch menschliche Züge. Zu einer namenlosen Masse waren wir geworden, einer

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