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Toedliche Offenbarung

Titel: Toedliche Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Kuhnert
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Ansammlung armseliger, stinkender Körper, die jeden Moment den letzten Atemzug hauchen könnten.
    Voller Abscheu sah ich manchmal an mir herunter. 22 Jahre alt war ich damals – und schon ein Wrack. Wobei es mir noch ganz gut ging. Meine Jugend machte manches wett. Bei den älteren Häftlingen war es viel schlimmer. Die Schwächsten hatten sie gleich im Lager gelassen und vermutlich getötet. Keiner wusste, wo es hinging. Einer hatte etwas von einem Außenlager bei Hamburg gehört, ein anderer von Bergen-Belsen. Eigentlich war es uns auch egal. Zu ausgemergelt, entkräftet und hoffnungslos waren wir. Fast schon apathisch.
    Wir kamen aus dem KZ Drütte bei Salzgitter und den Außenlagern darum herum. Frei nach Goebbels Motto »Vernichtung durch Arbeit« wurden wir in der Produktion eingesetzt. Einige hatten trotzdem überlebt, so wie Josef und ich.
    In den letzten Tagen war im Lager eine nie dagewesene Aufregung zu verspüren gewesen. Jeder merkte, dass da was im Gange war. Einer von den Kapos wusste, dass ich früher als Buchhalter in Berlin gearbeitet hatte. Man ordnete mich zu Hilfsdiensten ins Büro ab. Pausenlos vernichtete man dort Listen und Unterlagen, gleichzeitig erstellte man neue. Der Feind sollte nichts Belastendes vorfinden. Endzeitstimmung kam bei den Wächtern auf, bei einigen sogar Angst. Ging der Krieg zu Ende? Wir stellten Vermutungen in alle Richtungen an.
    Mittags traf ein Lastwagen mit Frauen aus Salzgitter-Bad ein. Man brachte sie zum Bahnhof. Auch uns verfrachtete man direkt nach der Arbeit dorthin. Die Fahrt sollte am Abend des 7. April starten.
    Der für uns vorgesehene Güterzug war lang. Bestimmt 50 bis 60 Waggons gehörten dazu. Manche aus Metall, andere aus Holz. Die Wände der Holzwaggons waren höher und boten mehr Schutz gegen Kälte und Wind, deshalb wurden diese zuerst von uns gestürmt.
    Uns Jüngere kommandierte Zugführer Ehrenberg ab, die restlichen Lebensmittel aus dem Lager als Reserve in einen der vorderen Wagen zu transportieren. Die durften nicht in die Hände des Feindes fallen.
    Als wir diese Arbeit beendet hatten, waren die Holzwaggons schon belegt und mit Riegeln geschlossen. Also blieb für mich nur einer der hinteren Metallwaggons. In einem saß mein Freund Josef. Er zog mich zu sich ins Innere des Waggons.
    Wenigstens muss ich diese Fahrt in die nächste Hölle nicht alleine antreten, dachte ich und fühlte mich für einen Augenblick erleichtert. Ich setzte mich neben ihn auf den Fußboden und drückte seine Hand.
    »Danke«, murmelte ich.
    Seit einem Jahr bauten Josef und ich Flakgranaten in Drütte zusammen, eine stupide und schwere Arbeit. Reden am Arbeitsplatz war ein Vergehen, zog Prügelstrafe und manchmal sogar Tod durch Erhängen nach sich. Es hatte etliche getroffen, die wir kannten.
    Wir beide hatten überlebt und waren nun wie Brüder, nein, eher wie Vater und Sohn. Er, der bedeutend Ältere, erzählte mir im Laufe der Monate seine Lebensgeschichte. Als wohlhabender, renommierter Jurist hatte er hoch angesehen in seiner Heimat gelebt, bis die Zeiten für Juden schlecht wurden. Vom Finanzamt bis zur Stadtverwaltung hatten es alle auf sein Vermögen und seinen Grundbesitz abgesehen. Erst verzögerten sie die Verkaufsverhandlungen, dann sein Ausreiseverfahren. Schließlich wurde er inhaftiert und nach Buchenwald geschickt. Frau und Tochter hatte er gerade noch rechtzeitig Ausweispapiere beschaffen können. Ob ihnen die Flucht gelungen war, wusste er nicht.
    Mit uns waren bestimmt 70 andere im Waggon zusammengepfercht. Abgemagert, entkräftet. Die meisten barfuss, nur mit dünner Gefangenenkleidung. Die Notdurft verrichtete man direkt im Wagen. Es roch nach Urin und Kot. Waschzeug oder Ähnliches gab es nicht. Der verteilte Marschproviant war lächerlich und bereits zum Frühstück verzehrt. Neben mir sitzend, starb ein Gefangener am nächsten Tag um die Mittagszeit. Im hinteren Waggonteil gab es fünf weitere Tote. Es waren leise Tode. Bei jedem Stopp wurden die Leichen zur Mitte des Zuges getragen. Dort gab es einen leeren Waggon, der sich schnell füllte. Bald ragten ausgemergelte Arme und Beine über den Rand hinaus. Der Zug hielt auf freier Strecke und die Leichen wurden in eigens ausgehobene Gruben geworfen.
    Bei einer dieser Fahrtunterbrechungen habe ich die Aufklärungsflieger zum ersten Mal gesehen. Amerikaner. Ich war mir ganz sicher. Josef auch. Er stieß mich an und deutete nach oben.
    »Die kommen, um uns zu befreien.«
    Zum ersten Mal seit

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