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Toedliche Offenbarung

Titel: Toedliche Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Kuhnert
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war?«
    »Nein. Eigentlich habe ich nur Beine gesehen. Schwarze Hosen und feste Lederstiefel. Springerstiefel.«
    Felix hebt den Kopf. Ein stechender Schmerz zieht von der linken zur rechten Schläfe. Er verzieht die Lippen, unterdrückt aber das Stöhnen.
    Borgfeld registriert das Zucken. Unauffällig wirft er einen Blick auf seine Armbanduhr. Es geht auf elf Uhr zu. Hoffentlich kommt der Arzt nicht gleich rein und schickt ihn nach Hause.
    »Und dann?«
    »Als ich wieder zu mir kam, hat ein Typ mich hochgezogen und zu einem Auto gebracht. Einem grünen Pick-up.«
    »Hast du den schon mal vorher gesehen?«
    »Der Kerl stand morgens vor dem Landschulheim. Es gibt auch ein Foto von ihm. Sonja hat es auf ihrem Computer, der mit dem blauen Shirt und der 88 auf dem Rücken.« Ein Lächeln umspielt Felix’ Mund, als er Sonjas Namen nennt.
    »Hast du etwas Besonderes bemerkt?«
    »Der Typ hat blonde kurze Haare und eine Narbe unter dem Kinn. Ein schmaler Strich mit einer Wulst.« Felix hält inne und überlegt. »Der hatte außerdem eine rote Tätowierung am Arm. Ein gerader Strich, oben und unten mit einem kleinen Haken. Die gleiche Tätowierung trug der andere auch am rechten Unterarm, an der gleichen Stelle.«
    »Der andere?«
    »Da war noch einer.« Felix zögert einen Moment, als er an seinen ehemaligen Mitschüler denkt. »Den kenne ich von früher. Der andere hat ihn Karl genannt. In Wirklichkeit heißt er aber Kevin. Kevin Fischer. Ich bin mit ihm zur Schule gegangen. Nachdem ich den ersten Schlag abbekommen hatte, sollte der mich verprügeln. Als er auf mich losging, hat er mich erkannt. Er wollte, dass der andere Typ, der mit der 88, mich in Ruhe lässt. Diese 88, die hat er Matusch genannt.« Schweres Ausatmen unterbricht Felix’ geflüsterte Worte.
    »Dieser Matusch meinte, dass er seinen Spaß haben will.«
    Spaß?, fragt sich Borgfeld, während er sich die Namen notiert. Was so einer wohl unter Spaß versteht? Borgfeld lächelt Felix mit einem Anflug von Mitleid an.
    »Erinnerst du dich an die Autofahrt?«
    »Ich lag auf der Ladeklappe: Unter mir eine Plastikfolie, über mir ein alter Sack. Der Typ hat meine Arme und Beine mit Kabelbindern fixiert.« Wie ein eingeschnürter Hummer hatte er sich gefühlt. Konnte sich weder mit den Armen noch mit den Füßen abstützen. Schlagloch folgte auf Schlagloch. Hilflos rollte er von einer Seite auf die andere, stieß sich Kopf, Arme und Beine, wurde durchgeschüttelt.
    »Wir fuhren bestimmt eine halbe Stunde. Genau weiß ich das aber nicht. Irgendwann hielt das Auto. Ich wurde von diesem Matusch von der Ladefläche geschubst und fiel auf den Boden.«
    Felix atmet pfeifend aus. Und dann hat er sich vor mich hin gestellt und mich angepinkelt. Nein, das würde er nicht sagen. Voller Ekel erinnert er sich an die warme Flüssigkeit, den scharfen Geruch der warmen Pisse. Dreck und Staub klebte sofort an den feuchten Stellen seiner Kleidung. Aber das war nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war das Gefühl der Erniedrigung. Aber warum sollte er davon reden? Das machte es auch nicht ungeschehen. Felix sieht Borgfeld direkt in die Augen.
    »Danach schnitt er mir die Fesseln ab und eröffnete die Jagd.«
    »Jagd?«
    »Er sagte zu mir: ›Lauf los, du Arsch‹.«
    Borgfeld sieht ihn begriffsstutzig an.
    »Ich konnte loslaufen, bekam quasi einen Vorsprung. Plötzlich knallte hinter mir der erste Schuss. Dann der zweite und der dritte. Ich lief, nirgendwo gab es Deckung. Vor mir lag eine ungeschützte Heidefläche. Ohne auf irgendetwas zu achten, raste ich los. Immer wieder fiel ein Schuss, aber keiner traf mich. Ich stolperte über Äste, versteckte mich hinter Baumstämmen und Wacholderbüschen. Die Schüsse verfolgten mich, der Abstand wurde aber immer größer. Das muss der Kerl auch gemerkt haben. Er muss zurückgegangen sein, denn plötzlich hörte ich Motorengeheul. Die Jagd mit dem Auto war eröffnet. Er fuhr mir nach, stoppte und schoss aus dem Fenster. Ich rannte, ohne nachzudenken, immer weiter. Plötzlich tauchten vor mir Gräben auf. Das war mein Glück. Da kam er mit seinem Nissan nicht weiter.«
    Felix stockt and fährt mit leiser Stimme fort: »Einige Gräben übersprang ich, suchte immer wieder Deckung hinter Büschen, schließlich sprang ich in einen Graben, legte mich platt auf den Boden und lauschte. Es dauerte nicht lange und ich hörte das Schlagen einer Autotür. Er suchte mich. Das Knacken von Ästen kam näher, genau wie der Ruf: ›Ey, du Arsch, wo bist

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