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Toedliche Offenbarung

Titel: Toedliche Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Kuhnert
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aufregt. Das bringt niemanden weiter. Er muss die Fäden aufnehmen und neu verknüpfen. Ein erstes Lächeln huscht über seine versteinerten Gesichtszüge. Schlauer sein als die anderen. Das ist seine Devise. Seit jeher.
    Wörstein geht zurück zur Tür, er stampft so fest auf, dass die Dielen aufjaulen. Er kann es drehen und wenden, wie er will, es besteht die Gefahr, dass die Sache nach hinten losgeht – falls die Polizei, das Gericht oder wer auch immer es schafft, diese Freiheitsberaubung Matusch anzuhängen. Und genau das ist der entscheidende Punkt: Man muss das Matusch erst einmal beweisen. Aussage steht gegen Aussage. Im Zweifel für den Angeklagten.
    Wörsteins Laune erhellt sich augenblicklich. Matusch schwört Stein und Bein, dass ihn niemand gesehen hat, als er den Jungen weggebracht hat. Das ist immerhin etwas.
    Wörstein atmet tief ein. Jetzt gilt es, Schadenbegrenzung zu betreiben, sonst fällt durch diese Vorfälle ein Schatten auf die Bewegung, seine Partei, sogar auf ihn. Das darf nicht passieren – notfalls opfert er den Bauern. Dennis Matuschenko ist ein vorbestrafter Gewalttäter, jemand, bei dem ab und zu die Sicherungen durchbrennen. Das ist aktenkundig. Er, Freiherr zu Wörstein, wollte dem Burschen eine Chance geben. Aber die Probleme bei Resozialisierungen gewaltauffälliger und straffällig gewordener junger Erwachsener sind in jeder sozialen Einrichtung bekannt – da kann man nicht von ihm erwarten, dass er Wunder vollbringt, wo auch andere scheitern.
    Wieder und wieder wägt er alle Möglichkeiten ab. Es bleibt nur eine übrig. Er bleibt vor dem Fenster stehen, öffnet es und ruft Matusch zu: »Nimm den Hochdruckreiniger auf höchster Stufe und gib scharfes Putzmittel dazu. Das Auto muss sauber sein. Klinisch sauber. Haben wir uns verstanden?«
    Zur Not müsste man es abfackeln.
     

19
     
    Immer wieder muss Borgfeld Sonja wiederholen, was das Krankenhaus gesagt hat. Trotzdem gibt sie keine Ruhe.
    »Wer hat Felix gefunden?«
    »Ein Soldat.«
    »Ein Soldat?«
    »Habe ich doch gesagt.«
    »Und wo?«
    »Auf dem Truppenübungsgelände in Bergen-Belsen.«
    »Wie geschmacklos.«
    Borgfeld erwidert nichts, sondern steuert mit verbissenem Gesicht über die ausgebaute B 3. Muss er sich als Polizist eigentlich so ausfragen lassen? Und dann auch noch von seiner Tochter? Er hätte sich gar nicht von ihr überreden lassen sollen, sie mitzunehmen. Er ist einfach zu gutmütig.
    »Was hat dieser Soldat denn gesagt?«
    »Gar nichts.«
    »Der kann doch nicht gar nichts gesagt haben.«
    »Was weiß ich denn? Der hat deinen Felix gefunden und ins Krankenhaus gebracht.«
    »Das ist nicht mein Felix.«
    »Na dann hat er eben diesen Felix gefunden. Ist das besser?« Lieber Gott, wann ist die Pubertät endlich vorbei?
    »Ja, und dann?«
    »Wie dann?«
    »Hat er ihn mit einem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht?«
    Borgfeld wirft Sonja einen überraschten Seitenblick zu, sagt aber nichts.
    »Hat er denn nun einen Krankenwagen geholt?«
    »Weiß ich doch nicht«, brummt Borgfeld. »Glaub ich aber eher nicht. Ist ja ganz unzugänglich da im Wald.«
    »Warst du denn schon mal da?«
    Borgfeld umklammert mit beiden Händen das Lenkrad. Diese Rotznasen können einen zur Verzweiflung bringen.
    Auch Sonja gibt auf. Mit hochrotem Kopf sitzt sie von nun an schweigend neben ihrem Vater.
     
    Sie brauchen keine zwanzig Minuten, bis sie die Allerbrücke queren. Das dunkle Wasser hat einen niedrigen Stand. Kein Wunder, bei der Hitze und dem spärlichen Niederschlag.
    Borgfeld biegt kurz darauf rechts ab, und das mehrgeschossige, langgezogene Gebäude des Celler Krankenhauses taucht vor ihnen auf. Ein schmuckloser Bau wie aus dem Legokasten, der seit den sechziger Jahren ständig erweitert und umgebaut wird.
    Borgfeld passiert die Schranke und sucht sich einen Parkplatz. Er hat den Motor noch nicht ausgeschaltet, da piepst schon das Signal des Abschnallzeichens und Sonja springt aufgeregt aus dem Auto.
    Borgfeld quält sich hinter dem Lenkrad hervor und kann ihrem Tempo kaum folgen. Am Empfangsschalter des Krankenhauses holt er sie endlich ein.
    »Nun hetz nicht so.« Borgfeld schnauft wie ein Walross.
    »Wir müssen in die zweite Etage.« Sonja hält ihrem Vater den Zettel mit der Zimmernummer hin und eilt sofort wieder los.
    »Warte doch.«
    Sonja fasst seinen Ruf weder als Bitte noch als Befehl auf. Sie ignoriert ihn kurzerhand und nimmt immer zwei Treppenstufen gleichzeitig.
    »Bleib jetzt stehen, verdammt noch mal.

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