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Toedliche Offenbarung

Titel: Toedliche Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Kuhnert
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eilig? Das ist doch uralt, da kann es doch auf einen Tag mehr oder weniger nicht ankommen.«
    Martha übergeht diesen Einwand, wohlwissend, dass Roswitha Recht hat. Es ist ihre eigene Ungeduld, die sie antreibt. Julius Trott hatte den richtigen Riecher. Der Text enthält wirklich Sprengstoff und Martha kommt es vor, als wenn die Lunte schon gezündet sei.
    Roswitha schenkt Kaffee ein.
    »Nimmst du Milch und Zucker?«
    »Milch, bitte.« Außerdem steht sie mit ihrem Gefühl nicht allein da. Auch Max hat sich gleich an den Interviews festgebissen. Martha wirft Roswitha ein entschuldigendes Lächeln zu.
    »Eine Clara Rosenthal hat 1952 Interviews in Celle geführt«, fängt sie behutsam an und rührt mit dem Löffel in ihrer Tasse.
    »Erst dachte ich, es seien die üblichen Erinnerungen an Bombenangriffe. Aber das hier ist mehr. Diese Clara war von Anfang an einer Sache auf der Spur. Anscheinend haben die Erinnerungen ihres Vaters ihr Interesse für das geweckt, was am 8. April 1945 in Celle geschehen ist. Sie kam eigens aus Amerika und recherchierte für die New York Times . Ob das mit der Zeitung stimmt, weiß ich nicht, Fakt ist jedoch, dass an diesem Tag Dinge in Celle passiert sind, die man im Nachhinein lieber vergessen wollte.«
    »Du meinst bestimmt den Bombenangriff der Amerikaner auf den Güterbahnhof und die umliegenden Straßen. Das ist doch alles längst dokumentiert.« Der Satz – deswegen musst du mich nicht am Sonntagmorgen aus dem Bett schmeißen – liegt vorwurfsvoll in der Luft.
    »In diesem Zug saßen Tausende von KZ-Gefangenen auf dem Weg nach Bergen-Belsen.«
    »Auch das ist bekannt. Zu dem Thema hat ein Historiker in den achtziger Jahren Interviews geführt, es gibt sogar Luftbilder dazu, die liegen im Archiv. Gerade letztes Jahr hat ein Kollege eine neue Zusammenfassung dazu publiziert.« In Roswithas Stimme hat sich ein gereizter Unterton geschlichen.
    »Über diesen Angriff habe ich im Internet nachgelesen. Es gibt allerdings eine Sache, die mir nicht klar ist. Sieh dir die rot angestrichenen Stellen an. Ich möchte wissen, ob die Fakten stimmen.«
    »Bis wann?«
    »Am besten sofort.«
    »Ach nee, bitte nicht.«
    »Ich will nicht nerven.« Martha zögert. »Die Sache ist mir wirklich wichtig.«
    Roswitha verdreht die Augen. »Gewonnen, aber nur diese Seiten. Den Rest heute Abend und Morgen. Einverstanden?« Ihr Blick deutet zur Tür. »Ich hab schließlich Besuch.«
     
    Roswitha holt nicht nur ihre Lesebrille aus dem Arbeitszimmer. Sie bringt Martha auch ein Buch mit.
    »Wenn du dich so für die Geschichte der Nazizeit in Celle interessierst, solltest du das lesen. Da geht es um die Hintergründe von Enteignungen und die bislang nicht dargestellte Rolle der Finanzämter als Henkersknechthelfer. Ist interessant, was angestellt wurde, damit die Juden, die das Land verlassen wollten, ihr Vermögen in der Stadt ließen.«
    Sie drückt Martha das Buch in die Hand. »Und interessant ist auch, dass der Mann, der bei den Nazis für Enteignungen zuständig war, sich nach dem Krieg um die Rückgaben an die Enteigneten kümmerte. Zum Wohle von Celle hat Stadtrat Vogel so wenig wie möglich ausgezahlt.«
    Roswitha registriert Marthas Blick, der zwischen Staunen und Zweifel liegt.
    »Du fragst dich, wie das funktioniert, wieso die wieder alle in Amt und Würden waren? Ganz einfach, alle haben sich gegenseitig ihre Unschuld bescheinigt. Es gab nur ein paar Bauernopfer.« Roswitha setzt sich ihre Brille auf und kräuselt die Nasenspitze. »War doch nach Auflösung der DDR genauso.«
     

18
     
    Matuschs Bericht ist noch schlimmer ausgefallen, als Wörstein befürchtet hat. Kopfschüttelnd geht er vom Fenster zur Tür und wieder zurück, die Hände zu Fäusten geballt. Die Dielen knarren unter seinen festen Schritten. Am Fenster bleibt Wörstein stehen und starrt hinaus.
    Matusch spritzt gerade die Ladefläche des Pick-ups ab, sein Freund, dieser Karl, steht daneben und raucht. Elende Bande. Statt diesen Spitzel einfach wegzujagen, fangen und verschleppen diese Idioten ihn. Es ist nicht zu fassen. Wörstein schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch. Das Klatschen bringt Bewegung in die Fliegen, die an der Zimmerdecke kleben.
    Auch wenn der Junge Hausfriedensbruch begangen hat, ist das keine angemessene Reaktion darauf. Damit kommt man vor keinem Gericht Deutschlands durch.
    Wörstein fährt sich über den akkuraten Scheitel seiner glatt gekämmten Haare und atmet tief ein. Es ist nicht gut, wenn er sich

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