Toedliche Offenbarung
Problem, rechtlich jedoch …« Er spricht den Satz nicht zu Ende, grinst Borgfeld dafür umso breiter an.
»Der Wohnungsbesitzer, Herr Trott, hat vorgestern als Letzter ein Mordopfer gesehen, jetzt steht sein neues Auto mit zusammengefaltetem Dach zugestaubt auf der Straße.« Borgfeld hebt die Klappe des Briefschlitzes an.
»Hier, schauen Sie durch den Schlitz. Im Flur herrscht absolutes Chaos. Da ist Gefahr im Verzuge. Vielleicht ist dem Mann was passiert.«
Borgfeld selbst hält diese Vermutung zwar auch für übertrieben, aber Beckmann hat darauf bestanden, dass die Wohnung geöffnet wird. Sofort. Angeblich hat er so ein Gefühl. Von Gefühlen hält Borgfeld eigentlich nicht viel, aber wenn Beckmann die hat, soll er seinen Willen bekommen. Schließlich ist Beckmann beim LKA, und schließlich hat er ihm bei der Suche nach Felix geholfen.
Die Celler Kollegen werfen einen Blick durch den für die Post vorgesehenen Spalt und schütteln den Kopf.
»Wir können nicht einfach eine Tür aufbrechen, bloß weil irgendein Typ unordentlich ist. Da hätten wir ja viel zu tun.«
Borgfeld fischt sein Handy aus der Jackentasche und tippt auf Wahlwiederholung. Nachdem er Beckmann in wenigen Worten die Situation geschildert hat, reicht er den Hörer an den kleineren der beiden Celler Kollegen weiter. Der scheint der Wortführer zu sein.
»Hier Hauptkommissar Beckmann, LKA. Ich übernehme als leitender Ermittler der Sonderkommission Golfball die Verantwortung für die Öffnung der Wohnung und kläre die Formalien mit Staatsanwältin Doktor Mackenrodt ab. Öffnen Sie also bitte die Tür.«
»Aber …«
»Es gilt § 102 StPO«, belehrt Beckmann den hartnäckigen Kollegen.
Der Polizist am anderen Ende der Leitung nickt schließlich, zuckt jedoch gleichzeitig mit den Schultern. Ganz sicher ist er sich immer noch nicht, ob dieses Vorgehen der Verhältnismäßigkeit entspricht. Aber wenn dieser Hauptkommissar vom LKA die Verantwortung übernimmt, dann soll es ihm egal sein.
Während der größere der beiden Polizisten den Schlüsseldienst ruft, stellt sich Martha neben Sonja.
»Ist Ihr Freund wieder aufgetaucht?«
Borgfelds Tochter mustert die Frau überrascht. Das Verschwinden von Felix hat sich wirklich wie ein Lauffeuer herumgesprochen.
»Einen Tag muss er noch im Krankenhaus bleiben. Er hat eine Gehirnerschütterung. Deshalb kann er auch nicht bei der Mahnwache dabei sein.«
»Mahnwache?«
Stolz erzählt ihr Sonja von den Vorbereitungen dazu und erwartet Beifall, als sie endet.
Von einer Mahnwache weiß Martha nichts. Sie wischt sich die Schweißperlen mit dem Handrücken von der Stirn. In der vollen Sonne auf den Gehwegplatten muss man Angst haben, einen Sonnenstich zu bekommen.
»Habt ihr die Presse gar nicht informiert?«
»Nee, wieso? Das läuft alles über Facebook.«
Die Wohnungstür ist nicht abgeschlossen, und der Mitarbeiter des Schlüsseldiensts erledigt seine Sache schnell und präzise. Am Türrahmen ist nicht ein einziger Kratzer zurückgeblieben. Dafür sieht das Innere der Wohnung umso schlimmer aus. Borgfelds Blick fällt auf einen geräumigen Flurschrank. Der Inhalt der Schubläden liegt überall verstreut. Spielkarten verteilen sich auf dem blauen Teppichboden, genau wie Schulhefte, Stifte, Ansichtskarten. Borgfeld macht zwei vorsichtige Schritte über den Flur und linst in die Küche. Dort bietet sich das gleiche Bild. Alle Schubfächer sind aus den Schränken gezogen und ausgekippt, als wenn es jemandem sichtliche Freude gemacht hätte, Chaos zu hinterlassen.
Eine böse Ahnung beschleicht Borgfeld, als er ins Wohnzimmer guckt. Hier sieht es nicht besser aus. Die Sitzfläche des Sofas ist aufgeschlitzt, der Schaumstoff herausgerissen. Er geht durch eine geöffnete Tür ins Nebenzimmer und hält den Atem an.
28
Vor dem Clubhaus sind herrenlose Caddys in allen erdenklichen Farben abgestellt, aus einigen ragen mit Plüschtieren bezogene Schläger heraus. Ein Löwenkopf mit wilder Mähne grinst Beckmann an, als er am Eingang vorbeigeht.
»Morgen«, grüßen Beckmann und Streuwald.
»Guten Morgen«, erwidern vier Herren in kurzen Hosen den Gruß.
»Haben Sie den Täter?«, fragt einer von ihnen.
Streuwald schüttelt den Kopf. »Nein, aber wir arbeiten mit Hochdruck an dem Fall.«
Die Köpfe der Männer rücken dichter zusammen. Sie tuscheln, und Gesprächsfetzen dringen zu Beckmann und Streuwald herüber: »Der Mörder hat …« – »Meine Frau sagt …« – »Unser Club
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