Toedliche Offenbarung
…«
Ein kleiner stämmiger Mittfünfziger macht schließlich einen Schritt auf die beiden Polizisten zu.
»Gestatten, Dreyer. Darf ich fragen, ob es erste Verdächtige gibt?«
»Tut mir leid, darüber kann ich keine Auskunft geben«, wimmelt Beckmann ihn sofort ab. »Sie entschuldigen uns. Wir haben zu tun.«
Beckmann, der den Tatort bislang nur vom Bildschirm kennt, bückt sich unter dem rotweißen Absperrband durch. Sein Blick streift den steinernen Waschtrog mit dem billigen Wasserhahn aus dem Baumarkt, auf dem eine Spülbürste liegt. Überall auf dem Steinfußboden liegen kurze Grasschnipsel herum. Ein weiterer Schritt und Beckmann kann um die Ecke gucken. Sofort fällt sein Blick auf die Bank, auf der Henry Broderich gefunden wurde. Es ist ein einfaches Modell aus Kiefernholz. Beckmann lässt den Platz zwischen Schuppen und Bäumen auf sich wirken, als sein Handy in der Hosentasche vibriert. Borgfeld wird im beleuchteten Feld angezeigt.
»Trott lag tot im Wohnzimmer«, ist das Einzige, was dieser über die Lippen bekommt.
»Genauer!«
Konzentriert hört Beckmann sich den kurzen Bericht an. Schließlich endet Borgfeld mit den Worten: »Die Celler haben sich der Sache angenommen und Verstärkung gerufen. Ein Arzt war zufällig auch da und hat sich das Opfer angesehen. Julius Trott ist vermutlich gestern erwürgt worden. Er lag tot unter seinem Klavier. Umfassendes erfahren wir natürlich erst später, wenn der Rechtsmediziner dagewesen ist.«
»Gibt es auf den ersten Blick Parallelen zu dem Fall Broderich?«
»Trotts Wohnung ist völlig verwüstet.«
»So wie bei Broderich?«
»Nein, anders. Bei dem war es nur schlampig. Hier ist Chaos angesagt, reines Chaos. Da scheint jemand etwas gesucht zu haben.«
»Bleiben Sie vor Ort und unterstützen Sie die Ermittlungen. Streuwald und ich sind jetzt auf dem Golfplatz und nehmen uns noch kurz Goldmann vor. Dann kommen wir. Ich möchte mir gerne selbst ein Bild vom Tatort verschaffen.«
Kaum ist das Gespräch beendet, telefoniert Beckmann mit Staatsanwältin Mackenrodt und setzt sie über den neuen Todesfall in Kenntnis.
»Die Kollegen in Celle wissen schon Bescheid. Sie haben auf meine Anweisung hin die Tür öffnen lassen.«
»Ohne Beschluss.« Ihre Stimme wird eine Nuance schärfer.
»Es war Gefahr im Verzuge.«
»Ah ja«, kommt es gedehnt aus ihrem Mund. Mit Beckmanns Auslegung, was eine Gefahrensituation ist, muss man nicht immer einverstanden sein. Aber der Tote scheint die Maßnahme mehr als nur zu rechtfertigen.
»Julius Trott hat sich wenige Stunden vor Broderichs Tod mit diesem getroffen«, redet Beckmann unbeirrt weiter. »Broderich wollte etwas von ihm. Jetzt sind beide tot und Trotts Wohnung ist durchwühlt. Was liegt näher, als die Fälle zusammenzulegen?«
Sie streicht sich nachdenklich einen Zigarettenkrümel von der Lippe.
»Ich werde mit den Kollegen in Celle Verbindung aufnehmen, die sollen die Leiche in die Medizinische Hochschule transportieren. Ich kümmere mich darum.«
29
Das für den Vorstand des Golfclubs reservierte Zimmer ist durch eine Tür mit dem Sekretariat verbunden und sieht mit seiner sachlich und praktisch gehaltenen Einrichtung aus wie die Zwillingsschwester des Vorzimmers. Regale mit Akten stehen an den Wänden, an der Seite befindet sich ein ausladender Schreibtisch, in der Mitte thront ein Computer. Der einzige Unterschied zum Nebenzimmer ist die kleine Sitzgruppe in der hinteren Ecke.
Nachdem Goldmann sein verschwitztes Polohemd zum zweiten Mal an diesem Vormittag gewechselt hat, läuft er unruhig im Vorstandszimmer auf und ab.
»Nun setz dich doch«, versucht ihn sein Anwalt, Doktor Dietrich, zu beruhigen. »Wir haben doch die Taktik besprochen. Kein Grund, nervös zu sein.«
»Aber wo bleiben diese Polizisten denn? Die sind schon vor einer ganzen Weile aufs Gebäude zugegangen?« Goldmann streicht sich beim Gehen nervös durch die Haare. Vor dem Fenster bleibt er stehen und stützt seine Hände auf der Fensterbank ab. Er selbst bewegt sich nicht, doch seine Augen wandern unruhig im Eingangsbereich des Golfclubs hin und her. Direkt vor ihm glänzt der frisch gewässerte Rasen im Sonnenlicht. An der Abschlusskante des Beetes eskortieren kugelig geschnittene Buchsbäume die frisch angepflanzten Hortensien. Wenn man genau hinsieht, haben die blauen Blüten gelbe Einsprengsel. Die Anlage wirkt gepflegt. Ein zufriedenes Lächeln huscht bei dieser Feststellung über Goldmanns Gesicht. Ganz genau so
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