Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)
hat mich begleitet«, sagte Mrs Clair auf geschwätzige Weise. »Die, die vor dem Untersuchungsrichter aussagen musste.«
»Ich erinnere mich, Madam.«
»Ich bin so froh, dass sie in den Urlaub fahren konnte«, fuhr Mrs Clair fort. »Diese schreckliche Sache hat sie doch sehr mitgenommen.«
»Das überrascht mich nicht, Madam.«
»Aber ich hätte mir so gewünscht«, sagte Mrs Clair mit Entschiedenheit, »dass mein Schwiegersohn auch mitgefahren wäre. Er konnte nicht weg, weil er furchtbar viel im Büro zu tun hat. Ich mache mir große Sorgen um ihn.«
»Wirklich, Madam?«
»Ja, sein Verhalten ist manchmal doch recht merkwürdig. Ich fürchte, all diese Arbeit geht ihm an die Nerven, vor allem so kurz nach dieser gerichtlichen Untersuchung. Aber ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen das alles erzähle. Das sollte ich, wenn überhaupt jemandem, wohl besser einem Arzt erzählen. Auf Wiedersehen, Sergeant.«
»Guten Tag, Madam.«
Sergeant Hale schritt in all seiner massigen Würde von dannen. In Gedanken schob er Mrs Clair noch einige Stufen tiefer in seiner Liste der Langweiler und Zeitverschwender. Sie konnte allerdings von selbst aufhören mit dem Gerede, was sie an und für sich fast schon wieder für diese Kategorie disqualifizierte. Und was sie erzählt hatte, war zumindest in gewissem Maße interessant für einen Polizisten. Es war immer gut, von Leuten zu wissen, die ein »merkwürdiges Verhalten« zeigten und denen ihre Arbeit »an die Nerven« ging, auch wenn er sich gleichzeitig unwichtige Geschichten über Urlaube anhören musste; und selbst wenn dabei (wie jahrelange Erfahrung gezeigt hatte) nicht ein einziges Mal in tausend Fällen irgendeine für die Polizei interessante Einzelheit herauskam, der man nachgehen konnte. Aber das tausendste Fitzelchen Klatsch dieser Art könnte ja doch nützlich sein.
16
Am Montagabend saß Mrs Clair im Wohnzimmer ihrer Tochter. Marjories Gesicht war ganz abgehärmt vor Müdigkeit und Sorge, und Mrs Clair blutete das Herz ihretwegen.
»Ted ist ausgegangen, vermute ich«, sagte sie.
»Ja«, erwiderte Marjorie lustlos.
»Bist du mit deiner Wäsche gut fertig geworden?«
»Das Bügeln musste ich auf morgen verschieben«, sagte Marjorie.
Das war ein Aufschub, der in den Augen einer guten Hausfrau nur dann zu entschuldigen war, wenn die Wäsche sehr groß oder die Umstände ungünstig waren. Heute war jedoch gutes Waschwetter gewesen. Marjorie musste wirklich viel zu tun gehabt haben.
»Waren die Kinder brav?«
»Oh ja.«
»Es wird einen großen Unterschied machen, wenn der kleine Derrick auch erst einmal alt genug ist, um zur Schule zu gehen«, sagte Mrs Clair tröstend.
»Hoffentlich«, erwiderte Marjorie.
»Ich weiß noch, wie es bei mir war, als die kleine Dot alt genug für die Schule war«, fuhr Mrs Clair fort. »Das war kurz bevor der Krieg ausbrach und dein lieber Vater seinem Regiment beitrat.«
Einen Augenblick lang antwortete Marjorie nicht. Sie hatte den Kopf gehoben, als würde sie auf irgendetwas lauschen.
»Ja, natürlich«, sagte sie nach einer Weile hastig.
Irgendjemand pfiff auf dem Trampelpfad hinten bei den Eisenbahnschienen. Mrs Clair hörte es, und dennoch, obwohl sie so scharfsinnig war, dachte sie sich nichts dabei.
»Meinst du, du hast eins der Kinder gehört, Liebes?«, fragte sie mitfühlend.
»Nein. Ja. Nein«, sagte Marjorie.
»Ich habe nichts gehört«, meinte Mrs Clair.
Wieder ertönte der Pfiff, und Marjorie rückte ruhelos in ihrem Sessel hin und her. Sie wusste nicht, wie sie mit dieser neuen Situation umgehen sollte. Erst da erkannte ihre Mutter den Zusammenhang zwischen der momentanen Geistesabwesenheit ihrer Tochter und den Pfiffen vom Trampelpfad her. Sie machte Anstalten, es sich noch etwas bequemer in ihrem Sessel zu machen, als kleinen Hinweis für Marjorie, dass sie nicht die geringste Absicht hatte, für eine Weile zu verschwinden. Marjorie sah sie unbehaglich an.
»Die Abende werden mittlerweile schon kürzer«, sagte Mrs Clair im Konversationston. »Es wird recht früh dunkel diese Woche.«
»Ja«, erwiderte Marjorie.
»Im Büro werden sie jetzt vermutlich den Herbstansturm zu spüren kriegen«, fuhr Mrs Clair fort. »Hat Ted es schon bemerkt? Mr Ely hat mir noch nichts darüber erzählt.«
»Ich ... ich glaube schon«, sagte Marjorie verzweifelt.
»Die vernünftigen Leute«, meinte Mrs Clair, »bestellen ihr Gas früh im Jahr. Ich habe kein Verständnis für die, die alles bis auf die letzte Minute
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