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Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)

Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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dass sie ein Interesse fasste an ihren Plänen.
    »Warum hast du denn drei Fahrkarten gekauft?«, fragte sie.
    »Mach dir keine Gedanken«, erwiderte Mrs Clair.
    Eine Fahrkarte wanderte in ihre Handtasche, und an der Sperre hielt sie nur zwei zum Lochen hin. Sie hatte sich von der Überlegung leiten lassen, dass die Polizei nach zwei Frauen suchen würde; der Kauf von drei Fahrkarten würde sie von ihrer Spur abbringen, wenn sie dieser ganz bis hierher in die Schalterhalle des Bahnhofs von Croydon gefolgt waren. Aber sie konnte sich nicht überwinden, das Marjorie zu erklären. Das Thema schien ihr zu heikel, um es mit ihr zu besprechen. Deshalb hatte sie »Mach dir keine Gedanken« gesagt, genau so, wie sie es auch getan hatte, als die kleine Marjorie angefangen hatte, Fragen danach zu stellen, wie sie auf die Welt gekommen sei. Und Marjorie wurde von der Antwort ihrer Mutter ebenfalls daran erinnert. In ihrer neuen Hilflosigkeit und Abhängigkeit von ihrer Mutter schien sie wieder zu einem Kind zu werden.
    Trödelnd kam ein Junge vorbei, der Abendzeitungen verkaufte; Mrs Clair nahm zwei. Dann fuhr der Zug ein, und die Hälfte der Fahrgäste stieg aus. Es saßen nur noch drei weitere Leute in dem Waggon, den Mrs Clair aussuchte, und es gelang ihr, Marjorie in eine Ecke zu setzen und neben ihr Platz zu nehmen. Sie reichte ihr eine der beiden Zeitungen, und um mit gutem Beispiel voranzugehen, schlug sie die andereauf und hielt sie sich vors Gesicht. Inzwischen konnte Mrs Clair wieder rasch und klar alles bedenken. Es wäre zumindest nicht ihr Fehler, wenn die anderen Fahrgäste sie später an den Beschreibungen wiedererkennen würden. Der Zug ratterte gleichmäßig durch die Dunkelheit dahin, und sein beständiger Rhythmus wurde nur von den Zwischenstopps an den Bahnhöfen auf der Strecke unterbrochen – dies war der letzte Nahverkehrszug zwischen London und Brighton. Die anderen drei Fahrgäste, der Mann mit den Gamaschen und der goldenen Uhrkette, die Frau, die bei Peter Robinson’s eingekauft hatte, und der Jüngling mit dem bleichen Gesicht, stiegen aus dem Zug, ehe sie Brighton erreichten, doch ein junges, immer wieder kicherndes Ehepaar stieg ein, sodass sie auf der trostlosen Fahrt nie allein waren. Marjorie las denselben Artikel – irgendetwas, das mit Wertpapieren und Aktien zu tun hatte – wieder und wieder, während sie sich die vor ihren Augen hin und her schwankende Zeitung vors Gesicht hielt. Und am Ende der Reise hatte sie den Artikel genauso wenig verstanden wie zu Beginn.
    Als der Zug in Brighton anhielt, blieb Mrs Clair noch einen Augenblick lang sitzen, um dem jungen Paar Gelegenheit zu geben, den Waggon zu verlassen, bevor sie ausstiegen. Marjorie hatte die Zeitung auf den Sitz gelegt in der Absicht, sie dort liegen zu lassen, doch ihre Mutter nahm sie mit.
    »Die brauchen wir sicher noch«, sagte sie rätselhaft.
    An der Sperre wurden ihnen die Fahrkarten ohne eine Frage und ohne einen prüfenden Blick abgenommen, und dann standen sie draußen auf der Straße. Inzwischen regnete es nur noch ganz leicht, ein fast unerhebliches Nieseln, und hier in dieser Stadt der Urlauber würde Marjorie ohne Hut nicht einmal auffallen.
    »Was sollen wir nur tun ?«, fragte Marjorie, und dannschauderte sie und klammerte sich an den Arm ihrer Mutter. Sie erinnerte sich nur zu gut an die anderen Gelegenheiten, als diese Frage gestellt worden war.
    »Oh, es wird alles gut werden, Liebes«, sagte ihre Mutter gelassen.
    Die leichte Anhöhe hinunter ging es natürlich ans Meer, zu den bunten Lichtern und zur Promenade – das waren jedoch nicht Mrs Clairs Schlussfolgerungen aus der Topografie, sondern das sagte ihr die Erfahrung, die sie bei den Besuchen vieler anderer Küstenstädte gewonnen hatte. Die bunten Lichter waren inzwischen fast alle schon abgeschaltet, aber die Promenade erstrahlte noch im Schein der Straßenlaternen, und als sie dort ankamen, wurden sie vom sanften Rauschen der an den Strand schlagenden Schönwetterwellen begrüßt. Die Brise vom Meer her war eine Wohltat nach der stickigen Luft des Eisenbahnwaggons. Sie rief eine Welle von Erinnerungen wach in Marjorie. Das letzte Mal, als sie Seeluft geatmet hatte, war George bei ihr gewesen. Dann tauchte, ganz widersinnig, eine neue Erinnerung empor, die die vorangegangene auslöschte – die Erinnerung an etwas Zusammengekauertes in einer roten Lache auf dem Linoleum im Wohnzimmer.
    »Oh, Mutter, Mutter«, sagte Marjorie.
    Mrs Clairs dünner Arm

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