Tödliche Option
küßte sie auf den Kopf und streichelte ihr wildes
Haar.
Smith blickte Gail finster an und ging in die
Küche. Wetzon lächelte. Smith führte sich auf, als hätte sie das größte Unglück
ihres Lebens erlebt und alle benähmen sich egoistisch und lieblos.
»Ich hole meine Sachen«, murmelte Melissa. Mit
gesenktem Kopf verließ sie das Zimmer, ohne den Orangensaft angerührt zu haben.
»Eine schreckliche Geschichte«, bemerkte Gail,
»Ich hätte Melissa sehr gern hier behalten. Sie
ist ein reizendes Kind«, erklärte Smith, während sie Gail ein Tulpenglas
Orangensaft reichte. »Aber meine Arbeit, wissen Sie...«
»Ellie war eine gute Freundin von uns. Sie würde
wünschen, daß wir Melissa zu uns nähmen.«
»Warum setzen Sie sich nicht noch einen Moment?«
Smith kratzte an den Tintenflecken an ihren Fingern, die von der Abnahme der
Fingerabdrücke in der Nacht herrührten. Wetzons Abdrücke befanden sich bei den
Akten der Abteilung, und Ellies Wohnung war gründlich auf Abdrücke untersucht
worden. »Sie werden selbstverständlich mit ihrem Vater Kontakt aufnehmen
müssen.« Wetzon erschrak,. weil es sie an ihr Gefühl erinnerte, Melissa und
Twoey hätten genügend Ähnlichkeit miteinander, um verwandt zu sein. Bruder und
Schwester? Goldies Nachkommen. Goldies Erben. Und Goldie war tot.
Gail reagierte nicht auf den Trick, mit dem
Smith etwas aus ihr herausholen wollte, sondern setzte sich auf einen Stuhl.
»Waren Sie nicht beunruhigt, als Ellie gestern
abend nicht zu dem Treffen erschien?« fragte Wetzon, während sie einen
Kleiemuffin in Viertel schnitt. Sie spürte Smith’ Aufmerksamkeit mehr, als daß
sie sie sah.
»Ach, dann wissen Sie also davon?« Gail sah erst
Smith, dann Wetzon an.
»Ja, sicher«, sagte Smith. »Wir stehen ganz auf
Neils Seite.«
»Tatsächlich glaube ich, daß Alton sich mehr
darüber aufregte als Neil. Sie dachten, sie hätte einen Rückzieher gemacht,
aber ich sagte ihnen, daß das nicht Ellies Art ist. Sie steht zu ihrem Wort.«
Alton, dachte Wetzon, die ein Stück Kleiemuffm kaute. Alton Pinkus. Sie sagte:
»Alton ist ein Phantast, wenn er glaubt, Makler könnten sich organisieren.« Sie
wischte ihre fettigen Finger an einer kleinen Papierserviette ab, die sie aus
dem Päckchen zog, das Smith ziemlich ungnädig auf den Tisch geworfen hatte.
»Ich würde es mehr als eine Bedrohung für das
Management sehen, Gail, Sie nicht?« fragte Smith schüchtern.
»Nur wenn Luwisher kneift und die anderen Firmen
nicht mitziehen. Wenn das Wall-Street-Taktik werden sollte, werden die Makler
eine Gewerkschaft bilden«, meinte Gail.
»Sie müssen«, sagte Wetzon, »um zu überleben.«
Smith’ finsterer Blick auf Wetzon ging unter,
weil Melissa in diesem Augenblick ihre Reisetasche in die Diele zerrte und
Smith murmelte: »Sie zerkratzt meinen Fußboden.«
»Warte, ich helfe dir.« Gail stand auf.
Nachdem Gail und Melissa gegangen waren, stellte
Smith das Geschirr in die Spüle, und Wetzon packte die Muffins weg.
Sie fuhren mit dem Taxi zum Büro und kamen
gerade rechtzeitig, um zu hören, daß die Kurse absackten. Sie hatten auf die
schlechte Nachricht über das Handelsdefizit zehn Punkte niedriger eröffnet.
Dann sickerte durch, daß sich die Junkbonds für die LBO von Southeast Delta nicht
verkauften. Die ruhigen glücklichen Tage von Aufkäufen mit geborgtem Kapital
waren vorbei. Minus fünfundzwanzig. Um zehn Uhr dreißig schalteten sich die
automatisch über Computer ausgestellten Verkaufsaufträge zu, und nun sackten
die Kurse erst richtig ab.
Dann kam Luwisher Brothers Ankündigung durch,
daß Maklern ein auf einer Grundlage von bis zu $ 250 000 Bruttoprovisionen
beruhendes Gehalt angeboten werden sollte. Jeder, der auf mehr käme, würde
Gewinnprämien verdienen. Die Ankündigung bedeutete offiziell das Ende der
Verkäufe auf Provisionsbasis, zumindest bei Luwisher Brothers. Ob die anderen
Firmen folgen würden, blieb abzuwarten.
Laura Lee hatte die Neuigkeit telefonisch
mitgeteilt, indem sie sagte: »Flippt nicht aus.«
»Tausend Dank, Laura Lee, Überbringerin böser
Kunde.« Wetzon legte auf. »Tja, nun haben sie es getan.« Sie sah Smith an, die
ein nachdenkliches Gesicht machte. »Jeder Tag ein kleiner Tod«, seufzte Wetzon.
»Jetzt wissen wir also, worum es bei dem Treffen ging.«
»Das war sehr raffiniert von mir«, bemerkte
Smith.
»Ja, sehr raffiniert. Und du hast es ganz allein
gemacht.« Smith war in ihrer narzißtischen Höchstform und brachte
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