Tödliche Option
wollte es mir am Telefon nicht sagen. Er
sagte, er muß mir etwas zeigen. Ich denke, es hat etwas mit dem Bericht, an dem
er arbeitet, zu tun. Er sagt, er weiß, warum Goldie ermordet wurde.«
»Das bedeutet, er muß wissen, wer es war.
Vielleicht sollte ich mitkommen.«
»Samstag morgen, halb acht, Smith. Nein.
Außerdem sagte er ausdrücklich, ich solle allein kommen.«
»Hm. Gut. Aber du mußt mich danach sofort
anrufen und mir alles berichten.«
»Bestimmt.« Wetzon wandte sich wieder ihrer
Arbeit zu und griff zum Telefon.
»Jetzt will ich dir etwas sagen, das unbedingt
geheim bleiben muß.«
Wetzon sah Smith an. »Okay.«
»Johnny möchte, daß wir Ellie Kaplan und ihren
Kavalier möglichst schnell ersetzen.«
Es war heiß wie in einem Backofen, die Sonne
stach um halb fünf immer noch, und es war so schwül, daß einem das Atmen
schwerfiel. Das Pflaster brannte durch die Sohlen von Wetzons Ferragamos. Sie
zog die Jacke aus und trug sie über dem Arm.
An Feiertagen im Sommer leerte sich Wall Street
mit der Schlußglocke. Um vier Uhr war jeder auf dem Weg nach den Hamptons.
An Sommerwochenenden blühte die Stadt auf. Die
Restaurants waren nicht überfüllt, Kino- und Theaterkarten waren leichter zu
bekommen, und es gab Straßenfeste, Flohmärkte und Kunstausstellungen.
Wetzon trödelte, keine Frage. Sie wollte nicht
mit Silvestri und seinen Detectives reden. Noch nicht. Was hatte Smith noch
gesagt? Sag ihnen, was sie ohnehin herauskriegen.
Das Siebzehnte Revier war in der 51. Street, aber
Wetzon ging daran vorbei, die Second Avenue hoch bis zur 53., wo sie ein
Häagen-Dazs kannte. Sie kaufte eine Portion Schokoladeneis mit
Schokoladensplittern und ließ sich einen Becher statt einer Eiswaffel geben,
damit es nicht auf sie tropfte.
Das Reviergebäude sah mehr nach einer
Grundschule als nach einer Polizeiwache aus. Die Polizei war zur Institution
geworden. Sie wollte Polizeiwachen aus eindrucksvollem Beton sehen, schwarz vom
Schmutz und Ruß der Jahre, mit massiven Türen, hohen Steintreppen und mit einem
diensthabenden Polizisten hinter dem Schreibtisch, erhöht auf einem Podium, so
daß man den Hals verrenken mußte, um ihn zu sehen.
Dieses Reviergebäude wirkte nicht
einschüchternd.
Trotzdem betrat Wetzon das Siebzehnte mit einem
mulmigen Gefühl im Magen. Sie würde mit Silvestri Streit bekommen.
Die Beamtin in Zivil am Schreibtisch, eine Frau
in einem blauen Hosenanzug aus Polyester und mit orangefarbenem Haar, war neu
und kannte sie nicht, so daß sie förmlich angemeldet wurde.
Der Lärm aus dem Bereitschaftsraum drang auf den
Korridor. Drinnen saßen fünf oder sechs Detectives an abgestoßenen grauen
Metallschreibtischen, in verschiedenen Stadien ihrer Tätigkeit, Berichte
tippend und telefonierend. Eine unglückliche Familie aus dem Mittelwesten, Mami
und Papa und zwei kulleräugige Kinder in Latzhosen voller Schokoladenflecken,
meldeten ihren Ford Kombi als gestohlen. Schreibmaschinen klapperten, und zwei
Nutten beschwerten sich, man habe sie ohne jeden Grund aufgegriffen. Plastik-
und Pappbehälter mit Essen und Kaffee standen überall herum. Sämtliche Wände
waren mit grauen Aktenschränken zugestellt. In einer Ausnüchterungszelle lag
ein unangenehmer Klotz, der laut schnarchte. Notizzettel waren an jedes freie
Fleckchen an der Wand geklebt oder an schief hängende Schwarze Bretter
geheftet. Und jede Menge Kalender mit Eselsohren, die alles zeigten, von
Landschaften bis zu leicht bekleideten Frauen.
Auf dem Boden in einer vollgestellten Ecke ließ
eine monströse Pflanze, mehr tot als lebendig, die Blätter hängen. Eine Schabe
saß dreist auf einem Blatt. Igitt, dachte Wetzon.
Silvestri hatte jetzt ein eigenes Büro, wenn man
es so nennen konnte, einen etwas größeren Raum zwischen Hasenställen, ohne
Fenster.
Der Fußboden war mit graubraunen Linoleumfliesen
ausgelegt. Ringsum im Zimmer hingen Klammerbrettchen an Nägeln; an der
Außenwand hinter Silvestris frisch gestrichenem schwarzen Metallschreibtisch
gab es eine große Anschlagtafel aus Kork, an die ein Stadtplan geheftet war,
daneben einige Arbeitsbogen und noch ein Kalender mit Eselsohren.
Metzger telefonierte gerade in seinem Büro
direkt neben Silvestris Zimmer und winkte ihr zu. Sie warf ihm eine Kußhand zu
und ging in Silvestris Büro. Eine große Frau in engen Hosen, in denen sich ein
hübsch gerundeter Po abzeichnete, stand bei Silvestri und unterhielt sich mit
ihm. Wetzon räusperte sich.
»Detective Mo
Weitere Kostenlose Bücher