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Tödliche Option

Tödliche Option

Titel: Tödliche Option Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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war.
    Alles sehr verschwörerisch, aber notwendig, um
Vertraulichkeit zu wahren. In ihrer Anfangszeit als Headhunterin hatte Wetzon
entdeckt, was für eine kleine Welt Wall Street im Grunde war. Jeder kannte
jeden, und Geheimnisse ließen sich nur schwer wahren. Weil Makler so oft
wechselten, war es nahezu unmöglich, daß ein Makler zu einem
Vorstellungsgespräch ging, ohne jemandem über den Weg zu laufen oder von
jemandem erkannt zu werden, mit dem er früher zusammengearbeitet hatte oder der
ein Freund von jemandem war, der in derselben Firma beschäftigt war. Wenn der
Chef einen Makler bei etwas Illoyalem ertappte, etwa daß er einen Wechsel zu
einer anderen Firma ins Auge faßte, konnten sofort seine Bücher konfisziert
werden, ehe er Gelegenheit hatte, sie zu kopieren, und er konnte auf der Stelle
rausgeworfen werden. Falls er genügend produzierte, konnte es auch sein, daß sein
Chef ihn mit besonderen Vergünstigungen bestach zu bleiben, zum Beispiel, daß
er einen Kundenwerber für ihn bezahlte, bestimmte Auslagen übernahm oder ihm
Hauskunden übertrug.
    Die Vertraulichkeit wurde häufig gebrochen, weil
Makler oft miteinander redeten und sich gegenseitig halb vertrauten.
Neuigkeiten, Gerüchte, Klatsch verbreiteten sich wie Buschfeuer in Wall Street.
Wetzon hatte einmal mit einem Makler gearbeitet, dessen Bruttoproduktion
zwischen 400 000 und 450 000 Dollar lag. Er konnte seinen Chef nicht leiden und
beging den Fehler, einem anderen Makler, einem Freund, wie er meinte, zu
erzählen, daß er ernsthaft überlege, zu einer anderen Firma zu gehen. Der
Freund ließ es den Chef wissen, der Chef stellte den Makler zur Rede, zog seine
Bücher ein und setzte ihn vor die Tür. Der Freund wurde mit einigen
Kundenkonten des Maklers belohnt. Ein Wechsel war nie einfach, und wenn nicht
bei einer andern Firma alles unter Dach und Fach war, konnte es total
danebengehen. Der Chef dieses speziellen Maklers griff zum Telefon und rief
jeden Kunden an, um ihm freie Geschäfte anzubieten, wobei er durchblicken ließ,
dem Makler sei gekündigt worden, weil er etwas Anrüchiges gemacht und das Konto
des Kunden nicht sachgemäß geführt habe.
    Wetzon sah auf die Uhr. Beinahe vier.
Wahrscheinlich konnte sie Jeff und Carolyn erreichen. Von Gary konnte sie sich
morgen berichten lassen.
    Ihre Hand lag auf dem Hörer, als sie die Haustür
zuschlagen hörte, dann hektische Geschäftigkeit, und schließlich klopfte es.
»Ja, bitte?«
    Harold öffnete zögernd die Tür. Er war
klitschnaß, als wäre er schwimmen gewesen. Harold schwitzte von Natur aus
stark. Als er merkte, daß Smith nicht da war, atmete er erleichtert auf, reckte
sich und wirkte gleich weniger unterwürfig und wieder selbstbewußter.
    »Späte Mittagspause, Harold?«
    »Mann, tut mir wirklich leid, daß es so lang
gedauert hat, Wetzon.«
    »Wo zum Teufel warst du?«
    »Ich war beim Augenarzt und mußte endlos
warten.«
    Bei jedem anderen hätte sie geglaubt, er habe
eine Matinee eingeschoben — heißer Sex an einem heißen Nachmittag — , aber Harold? Sie sah ihn kritisch an. Nein.
    »Okay, Harold. Du hast bestimmt eine Menge
Arbeit auf deinem Tisch. Ich habe jedenfalls zu tun...« Sie wandte sich wieder
den Karteibogen auf ihrem Schreibtisch zu.
    »Kommt Smith noch einmal?«
    »Weiß ich nicht. Wohl eher nicht.« Sie wartete,
bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann griff sie zum Telefon und
rief Jeff Lewin an.
    »Jeffrey Lewin.«
    »Hallo, Jeff. Hier ist Wetzon. Wie ist es
gelaufen?«
    »Gut, denke ich. Er hat mir die Stelle
angeboten.«
    »Was? Das Büro in New Haven?«
    »Ja. Ich sagte, ich müßte es mir noch genau
überlegen.«
    »Das ist gut. Sie haben ja noch nicht einmal
Ihre Zulassungen. Sie brauchen die Serie 8 und die R.O.P., die Lizenz als
Eigenhändler für Optionen...« Das war verrückt.
    »Ich fragte ihn, wann er eine Antwort braucht,
und er sagte, letzte Woche. Heißt das, daß dort zur Zeit überhaupt kein Manager
ist? Ich möchte wissen, was aus dem letzten geworden ist.«
    »Ich weiß es nicht.« Sie würde sich umhören
müssen. »Er wird einen höheren Posten in der Firma bekommen haben. Haben Sie
über Geld gesprochen?«
    »Ja. Er sagte, etwa fünfunddreißig als Fixum,
dazu meine eigene Produktion. Eine Vorauspauschale und einen höheren
Gewinnanteil. Aber hören Sie, Wetzon, ich möchte unbedingt wissen, was aus dem
anderen Manager geworden ist. Ich muß mit Amy reden. Wir sind gerade in eine
neue Wohnung umgezogen...«
    »Okay,

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