Tödliche Panne: Ein Las-Vegas-Krimi
den Namen auf den Tisch und sie überflogen sie. Neben Mike Mayfield gab es noch zwei weitere Übereinstimmungen, was nicht verwunderlich war, wenn man bedachte, dass viele Vereinsmitglieder mit Pfeil und Bogen auf die Jagd gingen und Wohnmobile besaßen. Aber Snow interessierte sich hauptsächlich für Mayfield.
Nach dem Mittagessen zwängten die Drei sich in Snows Hyundai Sonata. Willie saß hinten, Alice vorne. Sie gab die Adresse in das Navigationssystem ein und Snow folgte den Routenanweisungen der Computerstimme zu dem Haus, das in einer Seitenstraße des South Lamb Boulevard lag.
Die Frau, die ihnen aufmachte, war etwa Ende dreißig und sah der Schauspielerin Judy Garland verblüffend ähnlich. Sie hatte eine zierliche Figur und braune Haare, die in der Mitte gescheitelt und auf beiden Seiten mit Schleifen zu Zöpfen zusammengebunden waren. Ihre braunen Augen waren kleiner – und die Nase etwas größer – als die des früheren Filmstars, den sie offenbar zu imitieren versuchte. Aber das blaue Baumwollkleid mit den aufgebauschten Ärmeln verlieh der Ähnlichkeit Nachdruck.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie.
Alice zückte ihre Polizeimarke, worauf sich die Augen der Frau weiteten.
»Keine Angst«, sagte Alice. »Wir sind nicht wegen Ihnen hier. Wir würden uns nur gerne ein paar Minuten mit Mike Mayfield unterhalten. Ist er da?«
»Nein«, sagte die Frau. »Er ist vor zwei Wochen ausgezogen. Worum geht es denn?«
»Dürfen wir reinkommen?«, fragte Snow.
»Oh, das tut mir leid«, sagte sie und trat aus dem Türrahmen. »Bitte nehmen Sie Platz.«
Sie folgten alle der Einladung. Ein schwarzer Labrador kam aus der Küche ins Zimmer getrottet und setzte sich neben die Frau. Sie streckte die Hand nach ihm aus und kraulte das Fell an der Seite des Nackens.
»Ich bin Detective Alice James und das sind meine Kollegen Jim Snow und William Hoffman.«
Sie schob ihre Füße mit den roten Lederschuhen unter dem Stuhl zusammen und nickte jedem zu. »Ich bin Melanie Larson.« Dann blickte sie auf den Hund herab. »Das ist Munchkin.«
»Dieser Munchkin ist aber ziemlich groß geworden«, stellte Willie fest.
Alice und Snow warfen ihm einen warnenden Blick zu. Dann wandte Alice sich wieder Melanie zu. »Ihr Kleid gefällt mir. Haben Sie es selbst gemacht?«
Melanie blickte darauf und lächelte. »Oh, das da«, sagte sie. »Sie fragen sich wahrscheinlich, warum ich mich wie Dorothy in dem Film
Der Zauberer von Oz
aufgemacht habe.« Sie sah wieder Alice an und sagte: »Ich trage das bei der Arbeit. Ich arbeite im Royal Palace Casino auf dem Strip. Ich bin Croupier an einem Blackjack-Tisch. Manche von uns haben gelegentlich Auftritte, bei denen sie singen oder berühmte Künstler imitieren. Ich spiele Judy Garland. Andere Kollegen imitieren Elvis, Michael Jackson, Frank Sinatra, Paul McCartney, Cher, Dolly Parton, Madonna, Neil Diamond und Betty Boop.«
»Jemand imitiert eine Comic-Figur?«, sagte Snow.
»Sie wirkt ziemlich echt«, sagte Melanie. »Ach ja, und manchmal spiele ich auch Liza Minelli. Sie war die Tochter von Judy Garland, also fällt mir der Übergang nicht schwer.«
»Das würde ich gerne sehen«, sagte Willie. »Würde es Ihnen was ausmachen, wenn Sie uns eine kurze Kostprobe liefern? Das würde mir gefallen.«
Alice hob eine Hand. »Oh nein, das ist wirklich nicht nötig.«
Melanie lächelte, verschränkte ihre Finger vor dem Bauch und erhob sich aus ihrem Stuhl. »Warum denn nicht – es macht mir überhaupt nichts aus«, sagte sie. »Schauspielern macht mir Spaß, sonst würde ich es ja nicht machen. Geld verdiene ich jedenfalls keins dabei. Was möchten Sie denn gerne hören?«
»Natürlich ›Over the Rainbow‹«, sagte Willie strahlend. »Das ist eins meiner absoluten Lieblingslieder.«
Ihre Gesichtszüge nahmen einen abgeklärten Ausdruck an. Sie richtete ihren Blick zur Zimmerdecke empor, als könne sie durch sie bis in das geheimnisvolle Land Oz hindurch sehen. Sie sang das Lied langsam von Anfang bis Ende. Dabei blieb sie die ganze Zeit auf demselben Fleck vor ihrem Stuhl stehen, gestikulierte mit den Händen und sah abwechselnd jeden ihrer Zuhörer an. Als sie ihre Vorstellung beendet hatte, hallte Beifall durch das Wohnzimmer.
»Das war wirklich unglaublich«, sagte Snow. »Haben Sie jemals daran gedacht, professionell zu singen?«
Melanie setzte sich wieder. »Ich bin zu ein paar Proben gegangen, aber daraus wurde dann doch nie was. Jetzt mache ich das nur im Kasino
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