Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
versetzte dem
Rasenden einen Fußtritt gegen das Schienbein. Er faßte sich an die getroffene
Stelle, und ich nutzte das aus, um ihn mit einem Aufwärtshaken aufzurichten. Er
taumelte zurück, fiel hin und lag fluchend auf dem Straßenpflaster. Ich ließ
ihm keine Zeit, wieder auf die Beine zu kommen, stürzte mich auf ihn und
bearbeitete ihn mit meinen Fäusten. Der dicke Jannet warf seine hundert Kilo in
die Waagschale, um uns zu trennen.
    „Ganz ruhig, Burma“, sagte er mit einem
drohenden Unterton in der Stimme. „Verprügeln Sie nicht meinen Mandanten!“ Zu
Tanneur gewandt, fügte er hinzu: „Und Sie spielen hier nicht den Affen! Hat Sie
der Hafer gestochen oder was?“
    Der Flic, der vor der Nr. 36 Wache schob, kam in
nicht sehr sympathischer Haltung auf uns zu.
    „Alles in Ordnung“, rief Jannet ihm entgegen,
halb freundlich, halb einschüchternd, wie es seine Art war. „Nur ein kleines
Mißverständnis! Los, entschuldigen Sie sich, Tanneur!“ Der Angesprochene rieb
sich Kinn und Nierengegend. „Ich bin etwas nervös“, murmelte er. „Hab Sie die
ganze Zeit zusammen mit diesem Inspektor gesehen, da können Sie sich
vorstellen, wie sympathisch Sie mir sind... Entschuldigen Sie bitte.“
    „Schon gut“, erwiderte ich. „Kann mich in Ihre
Lage versetzen. Und daß Ihnen mein Gesicht nicht gefällt, verstehe ich gut. Um
offen zu sein, mir geht’s mit Ihrem genauso! Aber davon abgesehen, hab ich
nichts gegen Sie. Halte Sie nicht mal für einen Mörder!“
    Mein Boxgegner war etwas verblüfft von meiner
Offenheit. Jannet faßte ihn am Arm.
    „Kommen Sie, wir wollen hier keine großen Reden
schwingen“, sagte er. „Morgen früh ist auch noch ein Tag. Wiedersehn, Burma!“
    Sie ließen mich stehen und stiegen in den Wagen
des Anwalts. Ich bückte mich, um meine Pfeife aufzuheben, die bei dem
Schlagabtausch ebenfalls zu Boden gegangen war. Neben ihr sah ich etwas Rundes,
Kleines, Glänzendes liegen. Es war ein Jeton für einen Automaten. Tanneur mußte
ihn verloren haben. Was der so alles in seiner Tasche mit sich rumschleppte!
Die Vorderseite des Jetons schmückte eine Schlange. Auf der Rückseite stand eine
Zahl, eingerahmt von einer kreisförmigen Aufschrift: Etablissements Eden.
    Ich betrat ein Café am Boulevard du Palais, um
in meiner Agentur anzurufen. Roger Zavatter ging an den Apparat.
    „Hallo“, grüßte ich ihn. „Haben Sie immer noch
Durst? Ja? Dann möchte ich Sie zu einer Tour de Bistros einladen. Gehen Sie
doch bitte in alle Cafés der Firma Eden und versuchen Sie, soviel wie
möglich über einen gewissen Frédéric Tanneur in Erfahrung zu bringen. Er ist
Taxifahrer bei der Zentrale. Wird vielleicht ‘n Schlag ins Wasser, aber man...“
    „...muß jeder Spur nachgehen, ich weiß. Haben
Sie unterwegs Arbeit gefunden?“
    „Ja. Und meine tausend Francs?“
    „Die hab ich verwettet, keine halbe Stunde,
nachdem sie Ihre Brieftasche verlassen hatten. Nr. io, wie abgesprochen.“
    „Prima.“
    Ich verließ das Café, winkte ein Taxi ran und
ließ mich nach Saint-Ouen fahren. Unterwegs mußte ich daran denken, daß der
trotz seines Übergewichts elegante Thomas Jannet sich weniger gewählt
ausdrückte als sein Mandant, der immerhin Edgar Allan Poe zitierte. So was
gehört zu den lustigen Dingen des Lebens. Obwohl man sich manchmal fragt, ob
sie wirklich zum Lachen sind.
     
    * * *
     
    Madame Tanneur hatte die Vierzig bereits
überschritten. Ärmlich, jedoch anständig gekleidet, das Gesicht von Kummer und
Tränen gezeichnet, war der Frau noch ihre frühere Schönheit anzusehen. Sie
hatte irgend etwas an sich, das eine erstklassige Erziehung verriet. Florimond
hatte sich zu unrecht lustig gemacht über ihre Beteuerung, sie habe schon mal
bessere Zeiten gesehen. Diese Worte des Bedauerns entsprachen sicherlich der
Wahrheit.
    Ich tischte der Frau irgendein Märchen auf, um
mir noch einmal den Tod ihres Sohnes schildern zu lassen. Ihre Aussage, die von
Schluchzern und Seufzern begleitet wurde, wich in keinem Punkt von dem ab, was
ich bereits gehört hatte.
    „Ich habe nichts zu verbergen“, versicherte sie
mir. „Genauso ist es gewesen.“
    „Dann sind Sie also ganz sicher, daß Ihr Mann
die Pralinen nicht Jean direkt gegeben hat?“ fragte ich noch einmal nach. „Absolut!
Außerdem war Frédéric...“
    Sie verstummte, doch ich wußte, was sie sagen
wollte: Ihr Mann hatte nie solch liebevolle Anwandlungen gehabt.
    „Ich habe die zerdrückten Kugeln in seiner
Hosentasche gefunden,

Weitere Kostenlose Bücher