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Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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sich
lautlos im Halbdunkel. An der Theke saß eine übernächtigte Hure vor einem
leeren Glas und säuberte sich die Zähne. Ihr gegenüber stand ein
unausgeschlafener Kellner, dessen Kinnladen unaufhörlich zitterten.
Wahrscheinlich kam das von der Anstrengung, sich nicht die Seele aus dem Leib
zu gähnen.
    Am Ende der Theke waren drei Spielautomaten
aufgestellt: zwei Jack Pot und ein Bussoz. Ich setzte mich auf
einen Hocker und bestellte mir erst mal eine Grüne Hexe.
    Der Paris-Midi -Leser hob den Kopf, als er
meine Stimme hörte. Er war ein hagerer Mann mittleren Alters in einem
abgetragenen Tweedanzug. Dagegen sahen seine gelben Schuhe und sein Hut wie neu
aus. Wie frisch aus dem Geschäft. Zwei goldene Ringe glänzten an seinem rechten
Ringfinger.
    Er erkannte mich, stand auf und kam kauend
näher, das Sandwich — ein riesiges Steak zwischen zwei Weißbrotscheiben — in
der Hand. Der Mann wurde „der Fuchs“ genannt. Auch meine übergroße Liebe zum
Pittoresken konnte ihn mir nicht sympathischer machen. Wenn man sich um seine
Existenzsicherung Sorgen machte, antwortete er: „Tja, ‘s geht so“ und
verschwand. Ein Polizeispitzel, mehr oder weniger.
    „Ach nee, Nestor Burma!“ rief er. „So’n Zufall
aber auch.“
    Er war sozusagen von Berufs wegen neugierig. Ich
gab ihm die erstbeste Erklärung für meine Anwesenheit in diesem Lokal. Dann
wandte ich mich an den Barkeeper, der nur langsam seine Schläfrigkeit
abschütteln konnte.
    „Sie kennen nicht zufällig einen Fahrer von der
Taxizentrale namens Frédéric Tanneur?“ fragte ich ihn.
    Der Fuchs ließ den Kellner nicht zu Wort kommen.
Er prustete laut los, wobei er einen Teil seines Sandwichs auf die Theke spuckte.
    „Was hat ein Schlawiner wie Sie mit Fred zu tun?“
lachte er, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. „Kommen Sie, wir setzen uns.
Ich lad Sie ein. Arthur, zwei Pernod!“
    „Wenn Sie gestatten“, sagte ich, „hätte ich
gerne eine Grüne Hexe.“
    „Dann einen Pernod und eine Hexe“, korrigierte der Berufsschnüffler seine Bestellung.
    Am Tisch musterte er mich, dann fragte er:
    „Na, was hat denn der liebe Fred ausgefressen?“
    Er war schon leicht beschwipst. Seine
neugierigen Äuglein glänzten.
    „Sagen Sie“, begann ich, ohne auf seine Frage
einzugehen, „Sie sind doch offensichtlich Stammkunde in diesem Lokal. Waren Sie
vorgestern auch hier?“
    „Ich bin immer hier.“
    „Und haben Sie vorgestern Tanneur gesehen?“
    „Ja.“
    „Und...“
    Der Fuchs winkte ab.
    „Ende der Durchsage! Kein Wort mehr!“
    Er rief zur Theke hinüber:
    „Dasselbe noch mal! Und noch ein Steak... Hab
seit zwei Wochen nicht mehr vernünftig gegessen“, glaubte er erklären zu
müssen. „Aber heute... Na ja, jetzt kann ich alles nachholen!“
    „Um auf Tanneur zurückzukommen“, nahm ich
unbeirrt den Gesprächsfaden wieder auf, „ich wollte Ihnen...“
    „...ein paar Fragen stellen, ich weiß.“
    Er lachte auf. Offensichtlich genoß er es,
Nestor Burma auflaufen zu lassen. Das machte ihn unvorsichtig...
    „Bedaure, aber Sie kommen zu spät. Hab die Exklusivrechte
schon anderweitig verkauft. Deswegen kann ich mich heute so richtig vollaufen
lassen. Sehn Sie mal!“
    Er holte seine Brieftasche heraus und zeigte mir
mehrere Fünfhunderter. Ich tat so, als nähme ich’s von der heiteren Seite.
    „Schade“, sagte ich bedauernd, „da kann ich
nicht mithalten.“
    Der Fuchs biß in das neue Steak-Sandwich.
    „Nein, können Sie nicht“, gelang es ihm mit
vollem Mund hervorzubringen. „Auch ein Dynamit-Burma hat nicht die Mittel, mir
die Zunge zu lösen.“
    Er lachte glucksend. Ich dachte daran, daß ich
schon öfter verscheißert worden war, aber noch nie ungestraft; daß jemand
anderes die Mittel besaß und daß ich mich an Thomas Jannet rächen wollte. Ich
verabschiedete mich von dem kleinen Dreckskerl und verließ die Lucius Bar.
    Von einem anderen Café aus telefonierte ich und
beobachtete dann aus einiger Entfernung den Eingang der Lucius Bar.
    Gegen elf kam der Fuchs heraus. Er wollte gerade
einem Taxi winken, als jemand seinen erhobenen Arm ergriff.
    „Kommen Sie mit“, sagte der Mann.
    „Aber...“
    Wie ein Bündel schmutziger Wäsche wurde der
Fuchs auf den Rücksitz eines Wagens geworfen. Wir setzten uns rechts und links
neben ihn.
    „Zur Nr. 36“, wies Inspektor Faroux den Fahrer
des Dienstwagens an.
     
    * * *
     
    „Hör gut zu“, begann Faroux und ließ sich auf seinen
Schreibtischstuhl fallen. „Ich habe

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