Tödliche Pralinen
sich
auf was gefaßt machen, wenn er ihm, Faroux, in die Hände falle! Ich murmelte
ein paar Worte des Mitleids und legte auf. Als ich das Büro und Hélène gerade
verlassen wollte, läutete das Telefon.
„Sind Sie’s, Chef?“ meldete sich Zavatter. „Ah,
prima! Hab einen Kerl aufgegabelt, der darauf brennt, das Maul aufzutun. Er
weiß, daß ich von Fiat Lux bin, will aber nur mit Nestor Burma
persönlich sprechen.“
„Dann bringen Sie ihn mal gleich her!“
„Nun... ja... also... die Sache ist die... Er
würde gerne warten, bis es dunkel ist.“
„Hat er ‘ne Sonnenallergie?“
„Nein, genausowenig wie ‘ne
Aufenthaltsberechtigung. Deshalb!“
„Verstehe. Dann schleppen Sie ihn so gegen 10 in
meine Privatwohnung.“
„In Ordnung.“
Ich stopfte mir eine Pfeife, rief Hélène ein
paar ermunternde Worte zu („Staub ist gut für den Teint!“) und machte mich auf
nach Levallois-Perret zur Taxizentrale.
„Heute möchte ich mit einem Ihrer Chefs sprechen“,
sagte ich zu meinem bärenhaften Freund in dem Glaskasten.
Er zwinkerte mir zu.
„Immer noch wegen der Arsengeschichte?“
„Schon möglich. Übrigens, die Veröffentlichung
Ihres Fotos wird immer wahrscheinlicher.“ Ich hatte das Gefühl, so was
Ähnliches schon mal gesagt zu haben. „Hab heute den Apparat vergessen, aber das
nächste Mal komm ich nur zum Fotografieren vorbei.“
„Nicht nötig“, wehrte er ab. „Ich wußte, daß Sie
noch mal herkommen würden. Deswegen hab ich Ihnen schon mal dies hier
mitgebracht...“
Er gab mir ein Paßfoto aus seiner Militärzeit.
Sein Glück, daß die Behörden keine Ahnung von der Existenz dieses
furchterregenden Abzugs hatten. Sie hätten sein Gesicht auf der Stelle als
jugendgefährdend verboten. Begeistert steckte ich das Foto ein und bat das
Original, mir Zugang zu einem der hohen Tiere zu verschaffen.
Als ich vor diesem hohen Tier saß, zauberte ich
eine Visitenkarte hervor, der man fälschlicherweise durchaus entnehmen konnte,
ich wäre ein echter Flic. Doch das hohe Tier bedauerte trotzdem: Nein, leider
sei es ihm nicht möglich, mir eine Auflistung der einzelnen Fahrten Tanneurs am
17. August zu geben. Doch in bezug auf den 28. Januar hatte ich mehr Glück.
Tanneur, der nur selten nicht zur Arbeit erschienen war, hatte sich am 28. und
29. Januar krankgemeldet. Schließlich versorgte mich das hohe Tier
freundlicherweise mit Namen und Adresse des Unternehmens, bei dem Tanneur
früher gearbeitet hatte: einer Gesellschaft für Werkzeugmaschinenbau in
Courbevoie.
Ich begab mich zu der angegebenen Adresse. Ein
glatzköpfiger und verstaubter Alter antwortete auf meine entsprechende Frage:
Ja, Tanneur habe von dann bis dann bei ihnen gearbeitet.
„Wir erteilen grundsätzlich keine Auskunft über
unsere Beschäftigten“, fuhr er fort, „denn das wäre gegen das Gesetz. Davon
abgesehen, verlangt es unsere eigene Selbstachtung…“
Ja, dachte ich, der Trick ist der, negative
Auskünfte neutral zu formulieren!
„Er war ein hervorragender Ingenieur, aber
leider... Ich glaube nicht, daß ich ihm unrecht tue, wenn ich ihn als... äh...
eigenwillig bezeichne. Unser Haus hat sich von ihm getrennt, nachdem... Also,
Einzelheiten erzähle ich Ihnen nur, wenn Sie darauf bestehen!“
„Ingenieur?“ fragte ich verwundert. „Sind Sie
sicher, daß Sie sich nicht irren? Ich dachte, Frédéric Tanneur wäre Mechaniker.“
„Nein, nein, ich irre mich nicht. Ein
eigenwilliger Kerl, ich sag’s Ihnen, aber andererseits auch ein erstaunlicher
Mann. Wußte die Praxis mit der Theorie zu verbinden. Ein Universalgenie!
Hervorragender Mechaniker, hervorragender Fahrer, hervorragender Ingenieur.
Aber eigenwillig eben, wie gesagt. Wollen Sie wissen, warum wir uns von ihm
getrennt haben?“ Der Glatzkopf wollte seine Geschichte unbedingt loswerden. Da
ich sie mir lang und nur entfernt neutral vorstellte, sagte ich „Nein“, bedankte
mich und verschwand.
Was ich nämlich soeben erfahren hatte, war
höchst interessant und reichte mir vollkommen. Florimond hatte die Klagen von
Madame Tanneur über ihre jetzige Situation nicht ernstgenommen. Doch sie waren,
wie sich jetzt herausstellte, berechtigt gewesen. Frédéric Tanneur hatte schon
bessere Tage gesehen. So erklärten sich auch die Reste von guten Manieren und
Bildung bei dem Taxifahrer, der zu meiner großen Überraschung beim ersten
Verhör mit zwei Namen aus Edgar Allan Poes Werken um sich geschmissen hatte.
Hinter dem einfachen Mann verbarg sich
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