Tödliche Saturnalien
dauern. Die bedeutenden Persönlichkeiten unserer Zeit sind Männer der Tat, Männer wie Caesar und Pompeius, keine Advokaten wie Cicero.«
»Wir wollen Crassus nicht vergessen«, sagte ich, verärgert über seine leider nur allzu treffende Einschätzung der politischen Lage. »Auch die Bedeutung wohlhabender Männer kann man gar nicht hoch genug einschätzen.«
Clodius zuckte die Schultern. »Wann war das je anders? Selbst Könige sind in erster Linie reiche Leute, die Erbfolge kannst du vergessen. Aber wohlhabende Männer, die nicht auch mächtig sind, werden ihren Reichtum bald an Männer mit vielen Anhängern und scharfen Schwertern verlieren.«
»Du weißt wohl auf alles eine Antwort«, bemerkte ich.
Er nickte. »So ist es.« Er stand auf, und einer seiner Lakaien eilte davon, ihm ein Handtuch zu holen. »Ich muß gehen, Decius. Es gibt viel zu tun. Die Regierungsübergabe ist bereits in vollem Gange. Ich sehe dich dann heute abend bei Clodia.«
»Lebt sie noch immer in Celers Haus?« fragte ich.
»Ja, im Moment noch. Nach den Saturnalien wird sie in das Haus der Claudier zurückkehren. Dort ist sie sicherer.«
Das konnte nur bedeuten, daß man Celers Testament verlesen hatte und Clodia leer ausgegangen war. Ich vermutete, daß Nepos, ein Halbbruder Celers, das Haus geerbt hatte. Er war Pompeius’ Mann, während Clodia mit ihrem Bruder verbündet war, der zu Caesars Leuten gehörte.
Nachdem Clodius und seine Männer gegangen waren, kam Hermes hereingeschlichen. »Herr«, stammelte er, »ich habe sie gar nicht kommen sehen. Ich hätte dich sonst gewarnt, aber da waren auf einmal diese Gladiatoren und Publius Clodius, und ich …«
»Ist schon in Ordnung, Hermes«, sagte ich, die Decke betrachtend und mich der Tatsache erfreuend, daß ich noch atmete. »Ich hatte schon befürchtet, daß sie dich getötet hätten. Clodius ist so vernarrt in seine kleinen Überraschungen.«
»Ich hatte befürchtet, daß ich dich mit dem Gesicht nach unten auf dem Wasser treibend vorfinden würde«, gestand Hermes. »Ich freue mich wirklich, daß er dich am Leben gelassen hat.«
»Dann wollen wir uns gemeinsam meines Überlebens freuen«, sagte ich und hatte das Gefühl, daß ich das Bad mittlerweile wieder ohne schlotternde Knie verlassen könnte. Im Kampf Mann gegen Mann habe ich die Auseinandersetzung mit Clodius nie gescheut, oder auch wenn wir beide unsere Anhänger zur Seite hatten. Mehr als einmal hatten wir unsere Fehde auf offener Straße ausgetragen, und bei halbwegs gleichen Voraussetzungen habe ich ihn nie gefürchtet. Aber von seinem tödlichsten Feind allein und ohne jede Fluchtmöglichkeit splitternackt überrascht zu werden, konnte einen schon verzagen lassen. Aus einem stolzen und kampfeslustigen Römer hatte ich mich in etwas Quallenähnliches verwandelt.
»Was ist passiert?« wollte Hermes wissen.
»Nun, wie soll ich das erklären?« sagte ich und setzte meine Betrachtung der Decke fort. »Die gute Nachricht lautet: Wir sind eine Zeitlang auf den Straßen sicher. Clodius hat seine Hunde zurückgerufen. Die schlechte Nachricht ist, daß auch er will, daß ich Celers Tod untersuche, allerdings nur zu dem Zweck, Clodia von jeglicher Schuld reinzuwaschen. Ich fürchte, das könnte einen Interessenkonflikt geben.«
Hermes hatte mein Dilemma schnell begriffen. Ein Sklave weiß immer ganz genau, woher Gefahr droht.
»Wenn du ihre Unschuld beweist, stößt du deine Familie vor den Kopf«, meinte er. »Wenn du ihre Schuld nachweist, wird Clodius dich töten.«
»Genauso sehe ich das auch«, bestätigte ich. »Natürlich plant Clodius, mich umzubringen, egal was ich tue. Diese Drohung ist ja nichts Neues. Meine Familie wird mich sicher nicht töten lassen, aber ich kann mich darauf einrichten, bis an mein Lebensende die Sümpfe unserer Familiengüter trocken zu legen.«
»Du könntest zu Pompeius überwechseln«, schlug Hermes vor, seine rasche Auffassungsgabe unter Beweis stellend.
»Nein, das kann ich nicht. Ich werde weder Pompeius noch Caesar noch Crassus unterstützen. Ich bin ein Anhänger der Republik«, erklärte ich ihm.
»Behaupten sie das nicht auch von sich?« Sein Verständnis der politischen Zusammenhänge wurde von Tag zu Tag besser.
»Natürlich tun sie das. Aber sie lügen, und ich nicht. Sulla hat auch behauptet, er wolle die alte Republik wiederherstellen, dann hat er zum Beweis den halben Senat ermordet und seine Anhänger zu Senatoren gemacht, egal ob sie jemals vorher im Amt
Weitere Kostenlose Bücher