Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)
Mann, der vielleicht noch immer von seinen Heldentaten im Himalaya erzählt
und von Erinnerungen zehrt. Oder leidet er eher unter Alpträumen?
Unerträglicher Kitsch! Eva konnte
später dem hochstilisierten Heldentum in solchen Expeditionsberichten aus den 50er-
und 60er-Jahren nichts mehr abgewinnen. Musste man tatsächlich auf Achttausender
steigen, um den tiefen Sinn des Lebens herauszufinden? Lächerliche Männerromantik.
Leere Worte.
Ist das
heute besser? Weltweit werden unzählige spektakuläre Trekkings, die zwischen zwei
Tagen und zwei Monaten dauern, und klassische Expeditionen für Gruppen oder Individualreisende
nach Nepal und zu den höchsten Gipfeln im Himalaya angeboten, von sportlichen Herausforderungen
für Ambitionierte bis zu Genießertrekks für Einsteiger. Aus dem Pioniergeist der
Erstbesteiger ist längst ein äußerst lukratives Geschäft geworden. Die Leute sind
bereit, sehr viel Geld auszugeben, um zu einem einmaligen Erlebnis oder eher zur
Erfüllung eines Lebenstraumes zu kommen. Sie bezahlen pro Kopf enorme Summen: für
die Reise nach Asien, das Essen, die Ausrüstung samt Sauerstoff und dafür, dass
andere auf sie aufpassen, die ganze Strecke mit Fixseilen sichern und sie zum Gipfel
hochschleppen.
Dass zum
Beispiel der Everest bis heute um die 200 Tote gefordert hat, scheint niemanden
von einem solch gefährlichen Abenteuer abzuhalten, im Gegenteil. Grenzen seien da,
um überwunden zu werden, ist ein beliebter Slogan geworden! In der »Todeszone« auf
über 7000 Metern Höhe ist wegen zu geringem Luftdruck eine dauerhaft ausreichende
Versorgung mit Sauerstoff über die Atmung nicht mehr möglich und deshalb muss Sauerstoff
in Flaschen mitgeführt werden. Etwa zwei Liter Sauerstoff verbraucht man in solchen
Höhen in der Minute. Und doch bestieg Reinhold Messner als erster Mensch und ohne
zusätzlichen Sauerstoff alle 14 Achttausender der Erde! Soll man diese Leistung
bewundern oder darüber eher den Kopf schütteln? Auch die Österreicherin Gerlinde
Kaltenbrunner, die – bis auf den K2 – alle Achttausender bestiegen hat und als die
beste Alpinistin der Welt gilt, verzichtete auf Sauerstoff und vom Basislager an
auf die Hilfe eines Sherpas.
Längst gibt
es Dokumentarfilme, nicht nur über Wissenschaftler, die in Schnee und Eis Forschungen
betreiben, sondern über gut betuchte Hobbyalpinisten, Männer mit unbezähmbarem Abenteuergeist,
die um jeden Preis einmal im Leben – oder lieber mehrmals – auf einem Achttausender
stehen wollen. Die Hightech-Ausrüstung ist dabei wichtig, und die Sherpas müssen
unter Einsatz ihres Lebens unheimlich schwere Gewichte – Zelte, jede Menge Sauerstoffflaschen,
Nahrungsmittel samt Kochutensilien und alpinistisches technisches Zubehör – von
Camp zu Camp bis in die berüchtigte Todeszone kurz vor dem Gipfel schleppen, während
sich die Herren und einige wenige Damen nach der nötigen Akklimatisierungsphase
ohne schwere Rucksäcke über ausgebaute Wege und gesicherte Steilhänge von Lager
zu Lager führen lassen, dort ihre für sie bereits aufgestellten Zelte beziehen und
sich bequem und beschützt zum Essen hinsetzen können, das von den Sherpas zubereitet
und serviert wird. (Denkt je einer daran, was für Anstrengungen nötig sind, in solcher
Höhe, bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt und eisigem Wind oder Schneesturm
Wasser zu kochen oder schmutziges Geschirr abzuwaschen?). Selbstverständlich ist
meist auch ein Mediziner im Team, der bei kleineren und größeren Beschwerden Rat
weiß und die nötigen Medikamente verteilt, denn wer möchte sich die Freude über
eine einmalige sportliche Herausforderung im Himalaya durch Durchfall oder heftige
Kopfschmerzen schmälern lassen.
Kurz vor
dem Gipfel kommt es oft zu einem Massenandrang und Wettlauf wie am Matterhorn, wenn
mehrere Expeditionen aus verschiedenen Nationen zu gleicher Zeit unterwegs sind,
weil sie alle vom günstigen Wetter profitieren wollen! Da denkt gewiss keiner ans
Abfallproblem in den Weiten Nepals und im Hochgebirge, an die Armut der Bevölkerung,
an die Sherpas, die auf diesen Verdienst angewiesen sind und deshalb gern ihre Dienste
als Träger anbieten.
2007 wurde
ein Rekordjahr mit über 600 Besteigungen des Mount Everest! Auch Frauen können es
nicht lassen: 1975 erstmals die Japanerin Junko Tabei, 1979 die Deutsche Hannelore
Schmatz, die beim Abstieg in den Tod stürzte, 2001 die erste Schweizerin Evelyne
Binsack. 2004 stand die junge Norwegerin Cecilie Skog auf
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