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Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Titel: Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Traber
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Rhätischen Bahn in Pontresina
mit einem Koffer, einer Reisetasche, einem Rucksack und ihrem noch fast neuen Pickel
und wartete frierend auf ihren Zug. Sie schaute zu den umliegenden Gipfeln hoch
und dachte: Mag ich die Berge noch? Jetzt hatten sie auf einmal etwas Abweisendes,
Bedrohliches, Schreckliches, Gewaltiges, und sie war froh, ins Unterland zu fahren.
Ja, sie hatte genug von den Bergen, sie hasste sie jetzt geradezu und fühlte sich
allein, von aller Welt verlassen. Jedenfalls von Alex verlassen, was in diesem Moment
dasselbe bedeutete.
    Der Sommer
zu zweit war vorbei. Alles war vorbei. Der Traum von einem gemeinsamen Leben ausgeträumt,
es gab kein Happyend wie in einem Märchen. Schluss auch mit Klettern und Bergsteigen.
Die Steigeisen und den Pickel wollte sie nie mehr gebrauchen, dachte sie trotzig,
sie würde sie in den Keller verbannen – und dort würden sie allmählich verrosten.
    Alex fuhr
Richtung Süden, weil er wieder einen Auftrag als Geologe in der Wüste übernehmen
müsse, so hatte er behauptet. Und er hatte versprochen, er werde bald schreiben
und sie besuchen. Bald – oder nie? In den letzten gemeinsam verbrachten Tagen hatte
er sie mehrmals inständig gebeten, sie möge eine Wohnung nahe den Alpen mieten und
für sie beide einrichten, er werde in die Schweiz kommen und eine Stelle als Geologe
suchen – und mit ihrer Hilfe sicher finden.
    Wie naiv,
an solche Versprechungen zu glauben und sich immer noch Hoffnungen auf eine gemeinsame
Zukunft zu machen! Wollte sie sich das Scheitern ihrer Beziehung nicht eingestehen?
Nicht zugeben, dass es ihr zwar leicht fiel sich anzupassen, dass sie andererseits
auch etwas vom Partner verlangte? Nicht wahr haben, dass Alex nicht mehr geben konnte
oder wollte als in den letzten Wochen, und das war ihr zu wenig. Dass er Angst hatte,
sich zu binden und vermutlich sogar beziehungsunfähig war? Ein Einzelgänger, der
nicht zur Ehe taugte. Bis zuletzt hatte sie hartnäckig an eine Zukunft mit ihm geglaubt
und aufkommende Zweifel, so gut es ging, verdrängt. Als wäre sie immer noch ein
kleines Mädchen, das an Märchen mit einem Prinzen und Happyend glaubt.
     
    Auf der Heimfahrt im Zug kam ihr
immer wieder der gleiche lächerliche, kitschige Satz in den Sinn, mit dem sie sich
aufzuheitern versuchte: Sie kletterte nur einen Sommer.

11
     
    Das abrupte Ende einer Liebe, die
überraschende Emanzipation Evas, ihr geradezu kühner Entschluss, Alex nach der abenteuerlichen,
gefährlichen Hochtour am Berninamassiv den Laufpass zu geben – wirkt das überzeugend?
Wer hätte das von ihr gedacht, nachdem sie sich vorher wochenlang ihrem Freund angepasst
und immer wieder Verständnis für sein Verhalten aufgebracht hatte. Aber die letzte
Tour war eine Ausnahmesituation gewesen. Leben und Tod ganz nah. Da gingen einem
die Augen auf und man wurde ein anderer Mensch oder eher: mehr man selbst.
    Marianne
hätte frohlockt: »Das hast du gut gemacht, Eva, ich bin stolz auf dich.« Schön und
gut. So hätte es gewesen sein können.
     
    Erst einige Jahre später emanzipierte
sich Eva wirklich, dann allerdings eine Zeit lang radikal, beinahe militant und
nachhaltig. Fehlte nur, dass sie lilafarbene Kleider, ein Muss der Feministinnen,
getragen hätte. Alice Schwarzer gab die erste »Emma« heraus, damals eine Sensation,
und Eva wettete mit einem Kollegen um eine Flasche Champagner, dass die neue Frauenzeitschrift
Bestand haben werde, während er behauptete, sie werde sich kaum ein Jahr lang halten
können. Selbstverständlich gehörte sie zu den engagierten Abonnentinnen der ersten
Stunde, und ein Bericht von ihr, betitelt »Ich bin ›nur‹ Sekretärin«, wurde in einer
der allerersten Nummern sogar abgedruckt, eine flammende Anklage gegen ihren Chef,
der nicht imstande war, einen Ordner selber aus dem Aktenschrank zu holen oder eine
Telefonnummer zu wählen, sie musste das immer für ihn tun und flöten: »Einen Moment,
bitte. Ich verbinde Sie mit Herrn Dr. Müller.« Sein patriarchalisches – aus heutiger
Sicht eher hilfloses – Gebaren ertrug sie eines Tages nicht mehr. Sie war nicht
länger bereit, das allzeit bereite Dienstmädchen oder Mädchen für alles zu spielen,
das dem Chef jeden Wunsch von den Augen abliest, und suchte sich trotzig eine andere
Stelle mit einer Frau als Chefin.
    Sie las
auch »Die Schwarze Botin«, eine weitere feministische Zeitschrift aus Deutschland,
der Titel hatte es ihr angetan, und brachte damit den Buchhändler, bei dem sie

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