Tödliche SMS (German Edition)
keiner nahm den anderen wahr. Parteien, die einander weder grüßten noch Freundlichkeiten austauschten oder ab und zu ein privates Wort wechselten. Frauen und Kinder, die in den eigenen vier Wänden misshandelt wurden, und niemand half. Der Fluch der Anonymität jeder Großstadt.
„Sie war eine Freundin von dir, nicht wahr?“, riss Monika sie aus ihren Gedanken.
„Ja“, antwortete Andrea knapp.
Monika hatte damit begonnen, den Drehplan, die Stabs- und Schauspielerliste zu kopieren.
„Die Regie zu dem Werbefilm macht übrigens Britta Stöhr.“
„Super!“ Andreas Gesicht hellte sich auf.
Sie mochte Britta. Sie und Silke waren einige Male mit ihr um die Häuser gezogen. Britta war eine ruhige und besonnene Frau, die nicht viel auf Tratsch und Klatsch gab. Sie war eine Arbeiterin, die ihren Job erledigte und sich danach wieder aus der Szene verabschiedete, in ihr Privatleben mit Ehemann und Kind. Auf eine Zusammenarbeit mit Britta Stöhr freute sie sich.
Andrea nickte bestätigend. „Ich kenne Britta, gute Regisseurin.“ Sie machte eine kurze Pause. „Hast du gewusst, dass Silke Max Bergers Freundin war?“
„Max? Wirklich? Ich wusste nicht, dass der überhaupt ein Privatleben hat, so wie der arbeitet“, sagte Monika. Die Antwort klang aufgesetzt. „Obwohl … einmal, es war auf einer Premierenfeier … da hat er jemanden abgeschleppt. Eine besoffene Geschichte, hat nicht lang gedauert.“
„Wann war das?“
„Vor rund einem Jahr. Es war bei der Premiere eines Fernsehfilms, so ein richtiger Frauenfilm mit viel Herzschmerz und so. Das war im ORF am Küniglberg.“
„Hattest du viel mit Max zu tun?“
„Eigentlich nicht“, kam es knapp und für Andreas Begriffe etwas zu schnell. „Ich bin ja nicht so viel am Set. Wenn er im Studio war und das Material vom Dreh gesichtet hat, dann haben wir manchmal länger geplaudert und ab und zu haben wir uns auf irgendwelchen Partys getroffen. Aber sonst hat jeder seine Arbeit getan. Aber ich habe gehört, dass die Polizei ihn im Visier hat. Gerhard hofft nur, dass das die Fertigstellung des Films nicht beeinflusst.“
Andrea spürte, wie Wut in ihr aufstieg. Das war wieder einmal typisch. Da wurde nebenan ein Mensch brutal ermordet und der Geschäftsleitung ging es nur darum, dass die Produktion nicht ins Stocken geriet. Das war nicht gerecht.
„Wieso glaubst du, dass die Polizei hinter Max her ist?“
„Gerede, nur Gerede. Du weißt doch, wie klein die Branche ist. Sie wimmelt nur so vor Neidern, die dir ins Gesicht lächeln und dir dann das Hackl ins Kreuz hauen. Vielleicht hat jemand einen fingierten, irreführenden Hinweis an der richtigen Stelle angebracht. Wer weiß das schon. Sollte Max verhaftet werden, bedeutete das wieder einen Job mehr am Markt.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Ist Scheiße, ist aber so.“
Andrea widersprach nicht. Sie wusste, dass Monika recht hatte.
„Ich glaube nicht, dass es Max war.“
„Na, auch egal“, beendete die Produktionssekretärin das Gespräch. „Hier ist die Dispo. Die Maske beginnt um acht Uhr. Es wäre gut, wenn du dann schon vor Ort wärst. Die Auftraggeber wollen Fotos hinter den Kulissen und so. Backstage, du verstehst? Die Dreharbeiten beginnen gegen halb zehn.“
Andrea nahm die Disposition und begann zu lesen. Der gesamte Stab war für acht Uhr bestellt, nur die Beleuchter mussten eine Stunde früher ran. „Heilige Scheiße“, murmelte sie plötzlich. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Das kann nicht sein, dachte sie, das kann einfach nicht sein. Sie hatte doch nur einen Job angenommen. Und nun? Wieder griff ihre Vergangenheit mit eiskalten Fingern nach ihr, holte sie Jahre zurück.
„Ist was nicht in Ordnung?“ Die Produktionssekretärin sah zu Andrea.
Ich kann diesen Job nicht machen, nicht unter diesen Umständen. Die Branche war klein, aber so klein nun auch wieder nicht. Es gab hunderte Kameramänner … aber … Scheiße.
„Nein, alles okay“, sagte sie, blätterte rasch weiter, ignorierte den Namen, den sie soeben gelesen hatte.
Einatmen. Ausatmen. Somewhere over the rainbow … Sie würde das schon schaffen, ganz alleine. Damit würde sie ihren Dämon noch einmal besiegen. Und diesmal endgültig.
„Es gibt vier Locations, aber hauptsächlich wird im Hauptpostamt im ersten Bezirk gedreht. Kennst du sicher“, sagte Monika.
Andrea nickte.
„Die Geschichte ist ganz einfach. Eine Frau gibt bei der Post ihr EMS-Paket auf. Danach wird der imaginäre Weg des guten Stücks
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