Tödliche SMS (German Edition)
gemeinsam mit Max auf den Weg zu Silkes Atelier.
12.
Mittlerweile war es ein Uhr. Remo Bauer wartete bereits vor der Eingangstür auf sie. Er lächelte flüchtig.
Andrea war nervös. Sie war sich der gespannten Atmosphäre, die zwischen ihnen herrschen würde, durchaus bewusst. Wie würde er sich verhalten? Würde er sie bei passender Gelegenheit auf den Kuss ansprechen oder würde er den gestrigen Abend mit keinem Wort erwähnen? Andrea konnte nicht sagen, was ihr lieber war. Sie spürte, wie sie errötete. Sie hatte ganz einfach zu viel Wein getrunken und sich gehen lassen.
Gestern, als sie ihn auf der Couch spontan geküsst hatte – was sie natürlich seit heute Morgen bereute –, war es ihr so vorgekommen, als wäre etwas mit ihnen beiden geschehen.
Die Begrüßung fiel kurz und distanziert aus. Er ging einen Schritt zurück, vermied es, ihr länger als gewöhnlich die Hand zu reichen. Vermied jedes persönliche Wort. Andrea war enttäuscht. Nein, wütend. Verdammt, sie waren beide erwachsene Menschen. Natürlich war er der Polizist, der den Mord an ihrer besten Freundin aufzuklären hatte, aber war es in so einem Fall wirklich verboten, Gefühle füreinander zu hegen? Warum eigentlich? Warum hätten sie nicht eine gemeinsame Nacht miteinander verbringen dürfen, oder mehr als eine? Danach wäre er wieder auf Verbrecherjagd gegangen, ohne schlechtes Gewissen.
Andrea spürte genau, dass Remo Bauer sich abschottete. Und sie fragte sich, ob Silke der einzige Grund dafür war. Dabei war sie so stolz auf sich gewesen. Sie hatte das erste Mal seit fast vier Jahren ihr Misstrauen überwunden, wieder dasVerlangen nach der Nähe eines anderen Menschen zugelassen, genoss das Gefühl dieser jungen Verliebtheit. Und dann das. Seine schroffe, körperlich sichtbare Zurückweisung.
Scheiße, das tat weh.
„Danke, dass Sie sofort für uns Zeit haben.“ Andrea fühlte, wie ihre Knie zitterten. Ihr Mund war trocken. Es kostete sie große Mühe, die Unsicherheit in ihrer Stimme zu unterdrücken.
Remo Bauer sah ihr oberflächlich in die Augen, wandte sich peinlich berührt ab und murmelte etwas Unverständliches, was so klang wie: „Schon gut.“ Dann steckte er umständlich den Schlüssel ins Schloss.
Das Rot der Eingangstür war verblasst. So, als wäre mit Silkes Ableben auch die Intensität der Farbe gewichen. Auch das Atelier schien sich verändert zu haben. Die Luft roch nach Blut und Tod, jegliches Leben war aus dem Raum gewichen, obwohl nach wie vor farbintensive Bilder an der Wand lehnten und einzig und allein einige eingetrocknete Blutflecken auf dem Holzfußboden und dem Tisch darauf hinwiesen, dass hier vor kurzem ein Mensch brutal ermordet worden war. Schon in wenigen Tagen würde eine Putzmannschaft, bewaffnet mit Eimer und Mopp, den Blutflecken zu Leibe rücken und damit die letzten stummen Zeugen des Dramas verbannen.
Andrea atmete tief ein. Ihr war in der abgestandenen Luft leicht schwindlig. Sie strich sich über die Stirn.
Remo Bauer öffnete eines der Fenster. Kalte Luft strömte herein.
„Was wollen wir hier eigentlich finden?“, fragte Max, der sich bisher zu Andreas Entschluss, das Atelier zu durchsuchen, nicht geäußert hatte.
Andrea wandte sich ihm zu. „Ich möchte wissen, ob das Bild hinter der Couch das einzige dieser Art ist oder ob Silke noch mehr davon gemalt hat.“
„Du und deine Bildtheorie.“ Er wandte sich an den Inspektor. „Und Sie unterstützen sie auch noch dabei.“
Remo Bauer zuckte mit den Achseln. „Das Atelier wurde von der Spurensicherung freigegeben. Es steht Frau Reiter also frei, hier nach irgendwelchen Gemälden zu suchen.“
Dieses „Frau Reiter“ schnürte Andrea die Kehle zu. Sie schluckte und Remo Bauer starrte auf den Fußboden, dann wandte er sich zum Gehen. „Ich muss!“ Er streckte den Atelierschlüssel in die Luft.
Ich muss, damit hatte er sich am Vorabend schon aus der Affäre gezogen. Dann leck mich doch, dachte Andrea wütend, sagte aber: „Moment bitte!“ Sie berührte seinen Arm. Ein angenehmer Schauer lief über ihren Rücken. Den Bruchteil einer Sekunde verlor sich der Inspektor in ihren grünen Augen, bevor er abrupt den Arm zurückzog. Andrea hoffte, dass Max die Intensität dieses kurzen Augenblicks nicht mitbekommen hatte.
„Ich hab eine Bitte.“ Sie suchte in ihrer Tasche nach dem unscharfen Foto, fand es und reichte es dem Inspektor.
„Glauben Sie, dass Ihre Techniker das scharf bekommen? Zumindest so weit, dass man
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