Tödliche SMS (German Edition)
verhöhnte.
Nachdem er gegangen war, überlegte Andrea, Silkes Eltern zu besuchen und mit ihnen über ihren Verdacht des Missbrauchs zu reden. Entschied sich dann aber doch dagegen. Es war noch zu früh dafür.
Später, als sie im Wohnzimmer auf der Couch saß, die Bilder aus dem Atelier vor ihren Augen aufgebaut, ließ sie ihre Gedanken um Silke kreisen. Aus den Boxen der Stereoanlage drang leise ihr Lieblingslied, immer und immer wieder: Somewhere over the rainbow .
Silke war immer spontan und mutig gewesen. Niemals hatte sie ein Ziel aus den Augen verloren, trotzdem hatte man manchmal das Gefühl, dass sie in den Tag hineingelebt hatte. So wie Harry und Sally. Ihre Aufgabe bestand lediglich darin, genug Körner zu finden, um nicht zu verhungern.
Sie war überrascht, wie ruhig und besonnen sie zum Handy griff, als sie die bekannte Melodie ihrer SMS-Anzeige hörte.
Keinen Schritt weiter, sonst bist du tot!
13.
Donnerstag, 2. November
Der Morgen war bitterkalt und ein scharfer Wind peitschte durch die Straßen. In den Frühnachrichten hatten sie Schneefall angekündigt. Andrea überlegte, ob diese Wetterprognose auch für Wien galt. Sie wusste aus eigener Erfahrung, dass die östlichste Stadt Österreichs zumeist verschont blieb, wenn es im Rest des Landes zu Wetterumschwüngen kam. Was auch sein Gutes hatte. Denn in Wien ließ nur der leiseste Verdacht auf Schneefall ein Verkehrschaos ausbrechen. Etwas, das für die meisten Großstädte galt und für sie mit ein Grund war, in Städten mit über vierzigtausend Einwohnern nicht mehr selbst mit dem Auto zu fahren.
Sie drückte die Tasche mit den beiden Kameras fest an ihren Körper, während sie so schnell wie möglich versuchte, die beheizte U-Bahn zu erreichen.
Remo Bauer hatte sich nicht gemeldet.
Die SMS hatte sie verdrängt.
Andrea sah Chris und einen jungen Mann, wahrscheinlich sein Assi, im Hauptpostamt am Fleischmarkt verschwinden. Sie blieb stehen, atmete tief ein. Da musste sie jetzt durch, ihr und Silke zuliebe. Wo immer ihre Freundin jetzt war – sie glaubte nicht so recht an den Himmel –, sie sollte wissen, dass Andrea es geschafft hatte. Mit pochendem Herzen ließ sie den Anblick des alten Gebäudes auf sich wirken. Nichts erinnerte mehr daran, dass hier bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts ein Kloster und eine Kirche gestanden waren. Zwar trug das Laurenzergebäudenach wie vor den Namen des Heiligen, dem die Nonnen des Dominikanerordens ihre Kirche geweiht hatten. Aber nach der Demolierung des Gotteshauses kamen die verschiedenen Kunstwerke in die Schottenfelder Pfarrkirche und aus dem einst prachtvollen Bau wurde um 1820 ein nüchternes Amtsgebäude. Und genau so sah es auch heute noch aus. Wie ein nüchternes Amtsgebäude.
Andrea trat mit einem Gefühl von Vertrautheit ein. Sie war während ihrer Zeit in Wien oft hier in der Postzentrale gewesen, wusste, dass der innere Bereich modern eingerichtet war. In einer Art Passage konnte man alle möglichen Dinge erwerben. Kuverts, Büroartikel, Briefmarken, Pakete bis hin zu Handys und CDs.
„Kann ich Ihnen helfen?“
Sie drehte sich herum. Ein sportlicher Mann Mitte dreißig war neben ihr stehen geblieben.
„Ich suche die Filmcrew.“
Er nickte und zeigte mit der rechten Hand in eine Richtung. Andrea folgte seiner Hand mit den Augen. Dann sah sie Britta. Sie stand mit dem Rücken zu ihr. Sie bedankte sich und ging auf die Regisseurin zu. Als sie auf gleicher Höhe war, drehte sich Britta herum. Ihr Blick verriet Andrea, dass sie Bescheid wusste, wahrscheinlich von Monika.
Sie umarmte Andrea und sagte: „Ich freu mich!“
Sie tauschten noch einige Belanglosigkeiten aus, dann mussten sie an die Arbeit. Die Beleuchter waren fertig, die Kamera wurde unter Chris’ Anweisungen vom Assistenten in Position gebracht. Chris sprach die erste Szene mit Britta durch. Er ignorierte sie, obwohl er wissen musste, dass sie die neue Setfotografin war. Erstaunlich! Aber es war gut so. Auch sie hatte keine Lust auf ein Gespräch mit ihrem Ex, der ihr monatelang nachgestellt hatte. Die Darstellerin wurde von einer Maskenbildnerin geschminkt. Es war immer die gleiche Prozedur. Ein Tüpfchendort, Puder da, eine Haarsträhne hier, ein Schritt zurück und das Gemälde begutachten. Andrea hob ihre Kamera vors Auge und schoss einige Fotos. Ein Biertisch mit Mineralwasser und mehreren Thermoskannen Kaffee wurde aufgebaut.
Eine halbe Stunde später stand die Geschminkte mit einem gelben Postpaket bewaffnet vor
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