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Toedliche Spiele

Toedliche Spiele

Titel: Toedliche Spiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Collins
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was er mir auf dem Dach mitteilen wollte. Falls er die Spiele gewinnt, wird er mich vielleicht in der Nacht des Siegers auf der Großbildleinwand sehen, wenn die Höhepunkte der Spiele noch einmal gezeigt werden. Der Sieger hat einen Ehrenplatz auf der Bühne, umringt von seinem Team.
    Aber ich habe Rue versprochen, dass ich dort sitzen würde. Für uns beide. Und das erscheint mir noch wichtiger als mein Schwur gegenüber Prim.
    Zum ersten Mal glaube ich, dass ich eine Chance habe. Dass ich gewinnen kann. Nicht nur wegen meiner Pfeile und weil ich die Karrieros mehrmals überlistet habe, auch wenn das dazu beiträgt. Als ich Rues Hand hielt und zusah, wie das Leben aus ihr wich, da ist etwas passiert. Ich bin jetzt fest entschlossen, sie zu rächen, ihren Verlust unvergesslich zu machen, und das kann ich nur, indem ich gewinne und mich selbst damit unvergesslich mache.
    Ich brate die Vögel in der Hoffnung, dass jemand auftaucht und versucht zu schießen, aber vergeblich. Vielleicht schlagen sie sich irgendwo da draußen gegenseitig die Köpfe ein. Was mir sehr recht wäre. Seit dem Gemetzel am Füllhorn war ich sicher öfter auf dem Bildschirm zu sehen, als mir lieb ist.
    Irgendwann packe ich mein Essen ein und gehe zurück zum Bach, um meinen Wasservorrat aufzufüllen und ein bisschen zu sammeln. Doch dann befällt mich wieder die trübe Stimmung von heute Morgen, und obwohl es noch früh am Abend ist, klettere ich auf einen Baum und bereite mein Nachtlager.
    Ich durchlebe wieder die Ereignisse des gestrigen Tages. Immer wieder sehe ich, wie Rue durchbohrt wird, wie mein Pfeil sich in den Hals des Jungen senkt. Ich weiß überhaupt nicht, weshalb ich einen Gedanken an den Jungen verschwende.
    Dann wird es mir klar ... Er ist der erste Mensch, den ich getötet habe.
    Neben anderen Statistiken, die eingeblendet werden, damit die Leute ihre Wetten platzieren können, zeigen sie für jeden Tribut auch immer die Anzahl der Tötungen. Wahrscheinlich rechnen sie mir den Tod von Glimmer und dem Mädchen aus Distrikt 4 an, weil ich das Nest auf sie habe fallen lassen. Aber der Junge aus Distrikt 1 war der erste Mensch, den ich gezielt getötet habe. Zahllose Tiere haben ihr Leben durch meine Hand verloren, aber erst ein Mensch. Ich höre Gale sagen: »Wo ist der Unterschied?«
    Was den Akt angeht, so ist er erstaunlich ähnlich. Ein gespannter Bogen, ein abgeschossener Pfeil. Aber das ist auch schon alles. Ich habe einen Jungen getötet, von dem ich nicht mal den Namen weiß. Irgendwo weint jetzt seine Familie um ihn. Seine Freunde wollen mein Blut sehen. Vielleicht hatte er eine Freundin, die fest daran geglaubt hat, er würde zurückkommen ...
    Aber dann denke ich an Rues reglosen Körper und ich kann den Jungen aus meinen Gedanken verscheuchen. Zumindest für den Moment.
    Der Himmel schweigt, offenbar ein ereignisloser Tag. Keine Toten. Ich frage mich, wie viel Zeit sie uns lassen, bis die nächste Katastrophe uns wieder zusammentreibt. Falls es heute Nacht passiert, möchte ich vorher ein wenig geschlafen haben. Ich bedecke mein gutes Ohr, um die nervtötende Hymne auszublenden, aber dann höre ich Fanfaren und setze mich gespannt auf.
    Für gewöhnlich ist das nächtliche Totengeläut die einzige Art von Kommunikation mit der Außenwelt. Doch ab und zu erklingen Fanfaren, gefolgt von einer Durchsage. Meistens ist es die Einladung zu einem Festmahl. Wenn die Nahrung knapp ist, laden die Spielmacher die Spieler zu einem Bankett an einem Ort ein, den alle kennen, wie zum Beispiel das Füllhorn - ein Ansporn, zusammenzukommen und zu kämpfen. Manchmal gibt es dann tatsächlich ein Festmahl, manchmal liegt aber auch nur ein Laib altbackenes Brot da, um den sich die Tribute schlagen müssen. Wegen des Essens würde ich nicht hingehen, aber es könnte die ideale Gelegenheit sein, ein paar Konkurrenten zu erledigen.
    Claudius Templesmiths Stimme dröhnt auf uns herab und gratuliert den sechs Übriggebliebenen. Er hat kein Festmahl in petto. Er sagt etwas sehr Verwirrendes. Die Spielregeln sind geändert worden. Eine Regeländerung! Das allein ist schon verrückt, denn Regeln, die diesen Namen verdient hätten, gibt es eigentlich keine. Abgesehen davon, dass man in den ersten sechzig Sekunden die Scheibe nicht verlassen darf, und von dem unausgesprochenen Verbot, einander zu verspeisen. Die neue Regel besagt, dass beide Tribute aus demselben Distrikt zu Siegern erklärt werden, falls sie die beiden letzten Überlebenden sind.

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