Tödliche Täuschung
Und warum , bitte schön?« Monk war einer der interessanteren Menschen in seiner Welt, und sein Erscheinen ließ auf eine Abwechslung im grauen Alltag hoffen. Hinzu kam, dass Pearson, wenn Monk seine Hilfe brauchte, zumindest für eine Weile eine gewisse Bedeutung haben würde und nicht nur der tüchtige, beinahe unsichtbare Handlanger war, als den man ihn für gewöhnlich betrachtete.
»Ich muss mehr über den letzten Tag der Verhandlung gegen Melville in Erfahrung bringen. Sie sind ein sehr guter Beobachter…«
»Das ist meine Arbeit, Sir«, antwortete Pearson mit geziemendem Ernst, aber er stand ein wenig gerader, um sich des Kompliments würdig zu erweisen. »Manchmal gibt es kaum etwas anderes zu tun, als zu beobachten. Was möchten Sie denn gern wissen, Mr. Monk?«
»Hat Melville den Gerichtssaal irgendwann, bevor die Verhandlung beendet wurde, einmal verlassen?«
»Nein, Sir.«
»Sind Sie sicher? Er hat den Saal nicht verlassen, aus welchem Grund auch immer?«
»Nein, Sir. Wenn er sich entschuldigt hätte, hätten sie die Verhandlung unterbrechen müssen. Das müsste Sir Oliver Ihnen doch gesagt haben.«
Monk seufzte. »Ich glaube, er hat nichts dergleichen erwähnt, aber er könnte es vergessen haben. Der Ausgang des Prozesses hat ihn sehr mitgenommen.«
Pearson schüttelte den Kopf. »Niemand verliert gern einen Fall, aber dass die arme Seele sich das Leben genommen hat, ist wirklich schrecklich. Es tat mir sehr Leid, das zu hören. Er schien mir immer so ein netter Herr zu sein - oder jetzt sollte ich wohl besser sagen, eine nette Dame. Ich wäre nie darauf gekommen. Das hätte ich nie erraten.« Er sah Monk neugierig an und blickte ihm forschend ins Gesicht, um festzustellen, ob es ihm gena uso ergangen war.
»Ich habe auch nichts geahnt«, gestand Monk. »Der Arzt sagt, sie habe das Gift noch im Gericht genommen, irgendwann an dem betreffenden Nachmittag.«
Pearson runzelte die Stirn. »Mir ist nicht klar, wie das möglich gewesen sein soll, Mr. Monk. Nimmt man an, dass sie das Gift hier geschluckt hat?«
»Ja.«
»Ich wüsste nicht, wo! Sie hat wohl kaum im Gerichtssaal etwas gegessen oder getrunken. Das würde der Richter nicht erlauben. Und wenn sie es doch getan hätte, hätte jeder es gesehen. Es gibt immer jemanden, der den Angeklagten beobachtet, und das war sie ja in diesem Fall, die arme Seele. Mr. Sacheverall hat ihm ja mächtig zugesetzt. Ich meine ›ihr‹. Ich bekomme es immer noch nicht in meinen Kopf, dass er eine Frau war.«
Eine Gruppe jüngerer Anwälte kam vorüber, und einer von ihnen nickte Monk zu, als hätte er für einen Augenblick geglaubt, ihn zu kennen, setzte dann aber seinen Weg fort.
»Ist die Sitzung aus irgendeinem Grund unterbrochen worden?«
»Ja! Ja… Sir Oliver hat es noch einmal bei Mr. Sacheverall versucht. Daran erinnere ich mich. Da muss es passiert sein!« Pearsons Gesicht leuchtete auf. »Ein anderer Zeitpunkt ist nicht vorstellbar. Ich bin mir fast sicher, dass Miss Melville das Gerichtsgebäude am Ende des Tages auf direktem Weg verlassen hat. Sie ging durch den Hintereingang, bevor die Menge über sie herfallen konnte. Sir Oliver begleitete sie und kam später allein vorn aus dem Haus. Wenn sie das Gift wirklich im Gericht genommen hat und nicht erst später, dann muss sie es während der Unterbrechung getan haben.«
»Merkwürdig«, sagte Monk langsam.
»Sir?«
»Warum hat sie nicht gewartet, bis sie das Ergebnis von Rathbones Unterredung mit Sacheverall kannte? Es hätte vielleicht eine bessere Lösung gegeben.«
»Das weiß ich nicht, Sir, wirklich nicht.« Pearson schüttelte zustimmend den Kopf. »Ergibt irgendwie keinen Sinn, wie? Das arme Geschöpf muss von Sinnen gewesen sein… vielleicht hatte sie Angst um Mr. Wolff?«
Monk war nicht zufrieden mit dieser Erklärung.
»Möchten Sie vielleicht mit dem Saaldiener sprechen, der an der Ecke stand, als die Leute nach dieser Unterbrechung den Saal verließen?«, fragte Pearson hilfsbereit. »Ihm könnte aufgefallen sein, ob Miss Melville etwas zu trinken bekam und vielleicht eine Tablette oder ein Pulver dazu eingenommen hat.«
»Ja, bitte«, erwiderte Monk. »Ich wüsste zwar nicht, was das jetzt noch für einen Unterschied machen sollte, aber es scheint mir ein zu unsinniger Zeitpunkt zu sein, um den Entschluss zu treffen, seinem Leben ein Ende zu machen… mit einem Gift, das drei oder vier Stunden später erst wirkt.«
»Das Ganze hat sie sehr mitgenommen«, bemerkte
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