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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Zügen. Es ging über das hinaus, was ihre Pflichten von ihr verlangten. Sie hatte für Perdita seit ihrer Kindheit gesorgt und kannte sowohl ihre Schwächen als auch ihre Stärken.
    »Ich weiß es nicht«, gestand Hester. »Aber ich werde darüber nachdenken.«
    »Sie hat ihn so sehr geliebt«, fuhr Martha fort. »Sie hätten ihn sehen sollen, bevor er fortging. Er war so voller Leben, so glücklich. Er hat an so vieles geglaubt… Zumindest hat er diesen Eindruck erweckt.« Sie schob sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Diese Unschuld kann man nie mehr zurückgewinnen, nicht wahr?« Es war weniger eine Frage als eine Feststellung, und es schien, als denke sie dabei auch an andere Dinge, an Tragödien, die nichts mit der seinen zu tun hatten.
    »Nein«, gab sie ihr Recht. »Sie hat mich gestern Abend gefragt, ob sie etwas über den Aufstand lesen solle, über Cawnpore und Lucknow. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.«
    Martha sah sie mit ihren dunklen Augen an. Ihre Wangen waren eingefallen, als hätte sie Perditas Leid mitgetragen - und dennoch lag in ihrem Gesicht eine gewisse Weichheit.
    »Das darf sie nicht!«, sagte sie eindringlich. »Sie könnte es nicht ertragen. Sie verstehen nicht, Miss Latterly, sie hat niemals… nie in ihrem Leben… Gewalt kennen gelernt.« Sie hob hilflos die Hände und schwenkte dabei den Putzlappen. »Sie hat noch nie einen… einen Toten gesehen. In Familien wie den Lofftens redet man noch nicht einmal über den Tod, niemals. Die Leute sterben nicht, sie ›gehen hinüber‹, und manchmal treten sie ›die große Reise‹ an. Aber es ist immer friedlich, so als wären sie eingeschlafen. Sie wird diese Dinge ganz langsam begreifen lernen müssen.«
    Hester griff nach dem Krug mit den getrockneten Lavendelblüten. »Ich glaube nicht, dass sie die Zeit hat, sehr langsam zu begreifen«, antwortete sie, und ihr wurde bewusst, wie wenig sie über Perdita Sheldon wusste, über ihre Ehe und die Liebe zu ihrem Mann. Sie konnte Martha nicht fragen, ob sie vielleicht nur in die Liebe verliebt gewesen war, in den Gedanken an einen gut aussehenden Ehemann, in einen Traum vom Glück, unberührt von Kummer und Schmerz.
    »Vielleicht sollte sie mit der Geschichte Indiens beginnen?«, meinte sie. »Sie könnte vierzig oder fünfzig Jahre zurückgehen.
    Dann würde der Aufstand für sie mehr Sinn ergeben.« Sie lächelte und fühlte sich plötzlich an einen lateinischen Ausdruck aus ihrer Schulzeit erinnert. » Peccavi «, meinte sie trocken. »Das sagte Clive, als er die Provinz Sind erobert hatte. Er schrieb es in einer Depesche nach Hause.«
    Martha blinzelte.
    » Peccavi «, erwiderte Hester. »Das ist Latein… es bedeutet:
    ›Ich habe gesündigt‹.«
    »Oh, ich verstehe.« Martha erwiderte ihr Lächeln, und etwas von der Anspannung wich aus ihrem Gesicht. »Natürlich. Es ist so lange her, dass ich unterrichtet habe… Und damals war es hauptsächlich Französisch und ein wenig Italienisch zu musikalischen Zwecken. Es tut mir Leid.« Sie errötete und fuhr sorgfältig mit dem Tuch über den Schildpattkamm. »Die Dinge haben sich geändert… Aber das hat jetzt nichts mit Miss Perdita zu tun. Glauben Sie, etwas indische Geschichte würde helfen? Ich nehme an… sie muss es wissen. Sie glauben nicht, dass er - Lieutenant Sheldon - besser dran wäre, wenn er es vergessen könnte, nach und nach? Wäre es vielleicht einfacher, wenn sie nichts davon wüsste?«
    »Wenn Sie an ihrer Stelle wären, was würden Sie wollen?«, fragte Hester und blickte Martha forschend ins Gesicht.
    Plötzlich füllten Marthas Augen sich mit Tränen, und sie wandte sich ab und fuhr sich mit der Hand hastig über die Wange. »Ich würde es wissen wollen!«, sagte sie heftig. »Ganz gleich, wie die Wahrheit aussähe… ich würde es wissen wollen!« Ihre Stimme klang gepresst und brüchig unter dem Ansturm ihrer Gefühle, und einen Augenblick lang war etwas von dem Schmerz zu spüren, den sie mit sich herumtrug.
    Hester konnte nicht so tun, als hätte sie nichts bemerkt, aber sie wollte sich zumindest jeden Kommentars enthalten.
    »Dann sollten wir ihr besser ein paar passende Bücher heraussuchen«, sagte sie und nahm sich den nächsten Krug vor, der Schwarzwurzelblätter enthielt. Er war nur halb voll. »Und ich glaube, wir sollten unsere Vorräte an Kräutern und Ölen auffrischen, bevor sie zur Neige gehen.«
    Martha hatte sich wieder gefasst und setzte ihre Arbeit an dem Kamm fort. »Ja gewiss,

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