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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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schien sich etwas weniger befangen zu fühlen.
    »Keine Sorge, das wird sich schon alles von selbst regeln. Du brauchst nur deinen Teil zu tun, dann können wir das Ganze bald hinter uns lassen!«
    Hester krümmte sich innerlich. Athol hatte nicht die leiseste Ahnung, wovon er sprach. Für ihn waren der indische Aufstand und seine Gräueltaten lediglich hässliche Sünden der Geschichte kleine dunkle Flecken in der großartigen Historie des britischen Reiches.
    Athol stand auf. »Na, dann will ich nicht länger stören.« Er schob sich die Hände unter das Revers seines Jacketts und zog es sich auf den Schultern zurecht. »Ich will doch mal sehen, ob ich den Pfarrer erwische und ein Wort über Perdita mit ihm reden kann. Da lässt sich sicher etwas arrangieren. Es würde ihr bestimmt gut tun. Tut es immer. Man muss sich beschäftigen, das ist das einzige Wahre.«
    Gabriel sah hastig und mit forschendem Blick zu Hester hinüber.
    Hester erhob sich. »Ich bringe Sie zur Tür, Mr. Sheldon.«
    »Nicht nötig, meine liebe Miss Latterly«, sagte er huldvoll.
    »Ich will Sie nicht stören. Was lesen Sie denn da? Keats?
    Bisschen trübselig, was? Ich bringe Ihnen etwas, das sich besser eignet, etwas Positives.«
    Hester konnte sich nur mit Mühe beherrschen. Schließlich hatte sie niemand gezwungen, Keats zu lesen! »Vielen Dank. Das ist sehr freundlich.« Aber sie begleitete ihn trotzdem zur Tür und ging an seiner Seite durch den Flur und langsam die Treppe hinunter.
    »Mr. Sheldon…«
    Er blieb stehen und zögerte eine Sekunde, als hätte auch er die Idee gehabt, sie anzusprechen. »Ja, Miss Latterly?«
    »Bitte denken Sie noch einmal darüber nach, ob es klug ist, Mrs. Sheldon gerade jetzt zu sehr auf einem anderen Betätigungsfeld zu belasten«, sagte sie ernst. »Ich - ich glaube nicht, dass ihr das helfen würde.«
    »Es ist immer gut, sich zu beschäftigen, Miss Latterly«, sagte er hastig. »Man muss aus dem Haus. Damit man nicht ins Grübeln gerät, Sie wissen schon.« Er hob ein wenig die Stimme, nicht als sei es eine Frage, sondern eher, als wolle er sie ermutigen. »Man darf nicht zu viel über die Dinge nachdenken. Dann geht es nach innen. Ist nicht gesund.«
    »Aber…«
    Er runzelte die Stirn. »Ich weiß, Sie wollen das Beste für die beiden«, fiel er ihr ins Wort. »Da Gabriel doch Ihr Patient ist und so weiter. Ehm… wo wir gerade davon sprechen… Es ist schließlich das Natürlichste auf der Welt, das Einzige, was es für eine Frau wirklich zu tun gibt… Pflichttreue, Bescheidenheit… gute Werke…« Er errötete leicht und konnte ihr plötzlich nicht länger in die Augen sehen. »Ich… ehm… nun… glauben Sie, dass sie Kinder bekommen wird, Miss Latterly? Perdita… natürlich…«
    »Ich sehe keinen Grund, der dagegen spräche, Mr. Sheldon«, antwortete sie. »Gabriels Verletzungen sind nicht von der Art , und ich rechne damit, dass sich sein Gesundheitszustand mit der Zeit bessern wird. Allerdings…«
    »Gut… Gut. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, dass ich gefragt habe? Taktlos, ich weiß…«
    »Ich habe absolut nichts dagegen«, versicherte sie ihm.
    Erleichtert setzte er seinen Weg die Treppe hinunter fort.
    Sie hielt mit ihm Schritt, überholte ihn dann und blieb stehen.
    Wohl oder übel musste auch er stehen bleiben, wollte er sich nicht mit Gewalt an ihr vorbeidrängen.
    »Mr. Sheldon, ich glaube, es ist wichtig, dass Mrs. Sheldon etwas über die tatsächlichen Ereignisse während des Aufstands erfährt und später auch etwas über das Massaker von Cawnpore.«
    »Gütiger Gott!« Er lief dunkelrot an. »Ich meine… Barmherziger Himmel!«, verbesserte er sich. »Da kann ich Ihnen absolut nicht Recht geben. Sie sind vollkommen im Irrtum, meine liebe Miss Latterly. Ich weiß selbst etwas darüber. Ich habe damals Zeitung gelesen, da ich doch einen Bruder da draußen hatte und das alles. Ganz schrecklich! Es gehört sich wirklich nicht für eine Frau, darüber auch nur das Geringste zu erfahren. Sie können selbst keine Ahnung davon haben, sonst hätten Sie diesen Vorschlag nicht gemacht. Das kommt absolut nicht in Frage.« Er hob die Hand, um den Gedanken weit von sich zu weisen.
    »Ich weiß, dass es furchtbar war.« Sie wich nicht vor ihm zurück, sodass er gezwungen war, ebenfalls stehen zu bleiben , auch wenn er sie um einiges überragte. »Ich habe damals auch Zeitung gelesen, aber was noch wichtiger ist und was der Wahrheit wohl näher kommt, Gabriel selbst hat mir etwas

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