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Tödliche Therapie

Tödliche Therapie

Titel: Tödliche Therapie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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Lotty die üblichen Fragen nach Malcolms
Feinden, Freunden, Freundinnen, nach seinem Tagesablauf, nach Wertgegenständen.
    „Er hatte nichts Wertvolles“, antwortete sie. „Er
stammte aus ärmlichen Verhältnissen, hat sich das Medizinstudium selbst
finanziert. So etwas gibt es kaum mehr, er war eine Ausnahme. Wertvoll war nur
seine Sammlung haitianischer und afrikanischer Masken. Aber soviel ich weiß,
wurden die ja ausnahmslos zerschlagen.“
    „Nicht alle. Wissen Sie vielleicht, wieviele er
hatte? Wir könnten dann eine Liste aufstellen und, falls welche fehlen, Beschreibungen
davon hinausgehen lassen.“
    Lotty sah mich fragend an. Ich schüttelte den Kopf.
„Ich weiß nicht, Detective. Er hatte mich ein paarmal zusammen mit anderen zu
sich nach Hause eingeladen. Im Wohnzimmer hingen vielleicht zwanzig Masken. Ich
war niemals im Schlafzimmer. Aber Sie können von insgesamt vielleicht dreißig
Masken oder vierzig Stück ausgehen.“
    Er machte sich beflissen Notizen. Dreißig bis
vierzig war von nun an die offizielle Zahl. „Sind Sie sicher, daß er keine
Feinde hatte? Was ist mit verärgerten Patienten?“
    „Unverschämte oder arrogante Ärzte haben verärgerte
Patienten. Dr. Tregiere war weder das eine noch das andere“, erklärte Lotty
hochmütig, ein lebendes Beispiel für Arroganz. „Und er war außergewöhnlich
begabt, der Beste, den ich seit vielen Jahren gesehen habe. Er konnte es
durchaus mit Kollegen aufnehmen, die wesentlich mehr Berufserfahrung hatten
als er.“
    „In den Nachrichten wurde vermutet, daß
Straßenbanden etwas damit zu tun haben könnten“, sagte ich.
    Rawlings zuckte die Achseln. „Die meisten
Verbrechen in dieser Gegend werden von Bandenmitgliedern begangen. Nicht
unbedingt im Namen der Bande, sondern weil alle Jugendlichen zu irgendeiner
Bande gehören.“ Er stand auf und ging zu einem großen Stadtplan an der Wand.
„Das Revier der Garbanzos* ( spanisch
= Kiechererbsen   Anm. d. U.) w ar lange
Zeit im wesentlichen hier.“ Er deutete auf das Gebiet südöstlich von Wrigley
Field. „Die White Overlords beherrschen den Nordosten. Aber letztes Jahr sind
die Garbanzos in den spanisch sprechenden Teil von Uptown vorgedrungen.“ Sein
dicker Finger tippte auf die Gegend um Broadway und Foster Avenue. „Aber die
Löwen, eine weitere
    Straßengang aus der Humboldt Park Gegend,
behaupten, das sei ihr Revier. Also haben sie die Sache mit den Garbanzos und
zum Teil auch mit den White Overlords ausgefochten. Vielleicht haben die einen
oder anderen gedacht, Tregiere würde für die gegnerische Seite Partei nehmen,
sie mit Drogen versorgen, oder irgend so was.“
    „Nein“, fuhr Lotty aufgebracht dazwischen.
„Schlagen Sie sich das aus dem Kopf. Bringen Sie Dr. Tregiere nicht in Verruf,
indem Sie Zeit und Geld investieren, um nachzuforschen, ob an dieser unsinnigen
Idee was dran ist.“
    Rawlings hob beschwichtigend die Hand. „Ich muß
alle Möglichkeiten bedenken, Doc. Es gibt keine Hinweise, die diese Vermutung
bestätigen, trotzdem muß ich sie erstmal in Erwägung ziehen.“
    Wahrscheinlich meinte er damit, daß Malcolms Name
nirgendwo verkehrt herum auf eine Wand gesprüht worden war. Wenn die
Buchstaben auf dem Kopf standen, beunruhigte das die Polizei ungemein, weil es
bedeutete, daß die Tage des Namensträgers gezählt waren. Seitdem ich Malcolm
kannte, hatte er mit Sicherheit keine Verbindung zu den Gangs, abgesehen davon,
daß er ihren Mitgliedern Kugeln rausschnitt. Aber wer wußte, was er als Junge
getan hatte, als ihn seine Mutter von Haiti nach Chicago brachte?
    Rawlings fragte Lotty nach Tessa Reynolds, der
Bildhauerin, die Malcolm tot gefunden hatte. Lotty war weiterhin verärgert
und gab unfreundliche Antworten.
    „Sie waren Freunde. Vielleicht intime Freunde - das
ging mich nichts an. Ob sie zusammenziehen oder heiraten wollten? Möglich. Es ist
eine undankbare Sache, mit einem Assistenzarzt befreundet zu sein, dessen Zeit
ausschließlich dem Krankenhaus gehört und nicht den Freunden. Falls sie
eifersüchtig war - ich habe davon allerdings nie etwas bemerkt -, dann jedenfalls
nicht auf eine andere Frau, dafür hatte er keine Zeit.“
    „Sie verdächtigen sie doch nicht, oder, Detective?“
Ich stellte mir Tessa vor, groß, auffallend extravagant, vertieft in ihre Arbeit
wie Malcolm. Kein Mensch war ihr so wichtig wie ihre Metallplastiken und ganz
bestimmt nicht wichtig genug, um für ihn ins Gefängnis zu gehen.
    „Sie ist eine kräftige junge Frau.

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