Tödliche Therapie
ersten drei Schwangerschaftsmonate. Vielleicht hatte Humphries
deswegen ein schlechtes Gewissen, und vielleicht wollte er es mit Geld
beschwichtigen. Immerhin bezahlte er Dieters Rechnung aus seiner eigenen Tasche
und ließ nicht das Krankenhaus dafür blechen.
Aber noch immer gab es einige Fragen, die weh
taten. Was hatte Peter mit der Sache zu schaffen? Der einzige Grund, warum ich
wegen Friendship hatte sicher sein wollen, war, daß Peter als einziger wußte,
daß sich die IckPiff-Akten in meinem Besitz befanden. Aber weshalb kümmerte ihn
das?
Widerstrebend wählte ich seine Friendship-Nummer.
Seine Sekretärin sagte mir, daß er bei einer Entbindung sei. Ob sie etwas
ausrichten könne?
Da ich schlecht sagen konnte: Wen hat er
angeheuert, um Mr. Contreras den Kopf einschlagen zu lassen? fragte ich nach
Consuelos Unterlagen.
„Der Doktor hat mir diesbezüglich keine Anweisungen
gegeben“, sagte sie unsicher. „Wie war Ihr Name?“
Schwestern, die den Arzt „Doktor“ nennen, sind wie
Erwachsene, die über ihre Väter als „Papa“ sprechen. Der Doktor über alles in
der Welt. Gott hat mir keine Anweisungen gegeben.
Ich nannte ihr meinen Namen und ließ Peter
ausrichten, er möge mich anrufen, sobald er aus dem Kreißsaal käme. Nachdem
ich aufgelegt hatte, tigerte ich durch meine verwüstete Wohnung, wollte etwas
unternehmen, wußte aber nicht was. Ich wußte nicht, ob ich noch mehr herausfinden
wollte.
Schließlich griff ich wieder zum Telefon, um Murray
Ryerson beim Herald-Star anzurufen, der für die Kriminalfälle zuständig war. Die
Zeitung hatte einen kurzen Bericht über den Einbruch bei IckPiff gebracht. Als
am letzten Freitag bekannt wurde, daß auch bei mir eingebrochen worden war,
hatte sich Murray bei mir gemeldet in der Hoffnung, eine größere Geschichte
von mir zu bekommen, aber ich hatte ihm lediglich erklärt, daß ich derzeit an
keinem Fall arbeitete.
„Erinnerst du dich an den Einbruch im
IckPiff-Büro?“ fragte ich.
„Du willst ein Geständnis ablegen“, antwortete er
schlagfertig. „Das ist nichts Neues, V. I. Jedermann weiß, daß du gut für eine
zweite Folge bist.“
Das sollte ein Witz sein; ich war nur froh, daß er
mein Gesicht nicht sehen konnte. „Dick Yarborough von Crawford, Meade ist
Dieters Rechtsanwalt - wußtest du das? Vor ein paar Minuten habe ich in meine
Kristallkugel geschaut und gesehen, daß Dick die fehlenden Akten irgendwann
heute im Lauf des Tages in die Hände bekommen wird. Du könntest ihn anrufen und
dich nach ihnen erkundigen.“
„Vic, warum um alles in der Welt erzählst du mir
das? Wenn IckPiff ein paar Akten geklaut werden, gibt das nicht gerade viel
her. Selbst wenn du sie gestohlen und in das Rechtsanwaltbüro geschmuggelt
hättest - wie hieß er doch gleich? Yarborough? - wär's nicht interessant.“
„Okay. Ich dachte nur, es wäre eine nette, kleine
Ergänzung zu der Diebstahlsgeschichte. Ich hab den Kram übrigens nicht und weiß
auch nicht, wer es hat. Aber ich glaube, spätestens morgen wird Dick es in
Händen halten.“
Ich wollte gerade auflegen, als Murray plötzlich
sagte: „Wart 'nen Moment. Monkfish war für den Überfall auf Lotty Herschels
Praxis vor ein paar Wochen verantwortlich, nicht wahr? Und Yarborough ist der
Kerl, der ihn auf Kaution freibekommen hat. Genau. Ich hab's hier auf dem
Bildschirm. Und dann wurde bei ihm eingebrochen. Fang an, Warshawski, was ist
hier los?“
„Also, Murray, IckPiff-Akten geben nicht viel her.
Ich zitiere. Tut mir leid, dich gestört zu haben. Ich werde die Trib anrufen.“
Ich lachte, während er protestierte, und legte auf.
Als nächstes fuhr ich zu Lottys Praxis, um zu
sehen, wie es ihr erging. Die erste Woche, nachdem sie wieder aufgemacht hatte,
war nicht viel los gewesen, aber an diesem Morgen war jeder Stuhl im
Wartezimmer besetzt. Kinder, Mütter mit schreienden Babys, schwangere Frauen,
alte Frauen mit ihren erwachsenen Töchtern und ein einsamer alter Mann, der Löcher
in die Luft starrte und dessen Hände leicht zitterten, füllten den Raum. Mrs.
Coltrain meisterte die Lage wie ein altgedienter Barkeeper in einer
überfüllten Kneipe. Sie lächelte mir freundlich zu und ging, um Dr. Herschel
meine Anwesenheit zu melden. Von der Panik, die sie vor ein paar Wochen an den
Tag gelegt hatte, war nichts mehr zu spüren.
Lotty sprach mit mir einen Augenblick zwischen zwei
Behandlungszimmer. Übers Wochenende mußte sie fünf Pfund abgenommen haben;
ihre Backenknochen traten
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