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Tödliche Therapie

Tödliche Therapie

Titel: Tödliche Therapie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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deutlich hervor. Ich berichtete ihr über meine
Anstrengungen, die Friendship-Akte zu bekommen. „Ich werde Peter heute
nachmittag noch einmal daran erinnern. Wenn er sie nicht beibringt, willst du
dann Hazeltine Bescheid sagen?“ Morris Hazeltine war ihr offizieller
Rechtsanwalt.
    „In dieser Sache vertritt er mich nicht. Ich muß
mich an meine Versicherung und den Rechtsanwalt halten, den sie mir schicken.
Ich werde es ihm sagen - sie sind sehr verärgert darüber, daß ich Consuelos
Akte verloren habe.“
    Plötzlich schlug sie sich mit der flachen Hand
gegen die Stirn. „Unter Streß vergesse ich doch alles. Der Staat - das Amt für
Umwelt und Gesundheit - macht in jedem Krankenhaus, in dem eine Mutter oder ein
Neugeborenes stirbt, einen unangekündigten Kontrollbesuch. Sie müssen
Unterlagen über Consuelo haben oder zumindest über Malcolms Behandlung.“
    „Was macht man da - anrufen und sie um den Bericht
bitten?“ Meine Erfahrungen mit offiziellen Stellen hatten mich skeptisch
bezüglich deren Hilfsbereitschaft gemacht.
    Lotty bedachte mich mit einem stolzen Blick.
„Normalerweise nicht. Aber ich habe die Frau ausgebildet, die jetzt dort
stellvertretender Direktor ist - Philippa Barnes. Sie war einer meiner ersten
Assistenzärzte im Beth Israel. Und noch dazu ein sehr guter, aber das war
Anfang der sechziger Jahre. Es war damals sehr schwer für Frauen, eine eigene
Praxis aufzumachen, und außerdem ist sie kohlrabenschwarz. Also hat sie sich
eine Stelle beim Staat gesucht... Mir stehen hier noch mindestens vier Stunden
Arbeit bevor. Würdest du hingehen, wenn ich sie anrufe und ihr deinen Besuch ankündige?“
    „Aber gern. Nichts, was ich lieber täte.“ Ich
erzählte ihr die Sache von Dick und Monkfish. „Was hältst du davon?“
    „Ich habe nie verstanden, warum du diesen Mann
geheiratet hast, Vic.“
    Ich grinste. „Der Minderwertigkeitskomplex der
Einwanderer - er ist der perfekte WASP. Aber was hat Friendship damit zu tun?“
    Sie kam auf den gleichen Gedanken wie ich.
„Vielleicht zahlen sie, um ihr Gewissen zu beruhigen.“ Sie schwieg eine Weile
geistesabwesend. „Ich werde Philippa anrufen.“
    Sie drückte mir kurz und kräftig die Hand und ging
den kurzen Flur zurück in ein Behandlungszimmer. Ich war erleichtert, daß sie
wieder die alte war.
     
    22   Öffentliches Gesundheitswesen
     
    Meine Freunde und ich, wir haben eines der
monströsesten Bauwerke in der nordwestlichen Ecke des Loop finanziert. Das
heißt, Gouverneur Thompson hat 180 Millionen Dollar der von uns gezahlten
Steuergelder in ein neues Verwaltungsgebäude des Staates gesteckt, einem von
Helmut Jahn entworfenen Wolkenkratzer, der aus zwei konzentrischen Glasringen
besteht. Der innere umschließt eine riesige, offene Rotunde, die so hoch ist
wie das Bauwerk selbst. Wir mußten also nicht nur die Baukosten übernehmen,
sondern müssen auch Heizung und Klimaanlage für Räume finanzieren, die sich
überwiegend im Freien befinden. Nichtsdestotrotz gewann die Konstruktion 1986
einen Architekturpreis, was meines Erachtens nur beweist, von wieviel
Sachverstand die Jury heimgesucht war.
    In einem gläsernen Aufzug fuhr ich in den
achtzehnten Stock hinauf und betrat einen Gang, der um die ganze Rotunde herumführte.
Alle Büros sind zu diesem Flur hin offen. Die Konstruktion macht den Eindruck,
als ob dem Staat das Geld ausging, als die Türen an der Reihe waren.
Vermutlich soll sie einem das Gefühl des uneingeschränkten Vertrauens zwischen
Staatsbediensteten und Besuchern vermitteln. Ich suchte den offenen Raum, der
mit „Amt für Umwelt und Gesundheit“ gekennzeichnet war, und nannte der
schwarzen Sekretärin meinen Namen. „Dr. Barnes erwartet mich.“
    Die Sekretärin seufzte, als ob ich von ihr etwas
verlangt hätte, was weit jenseits ihrer Pflichten lag, und griff zum Telefon.
„Dr. Barnes wird Sie gleich empfangen. Nehmen sie bitte Platz.“
    Bevor Dr. Barnes erschien, überflog ich ein
Merkblatt, das die Symptome von AIDS beschrieb und was zu tun war, wenn man
glaubte, sich infiziert zu haben, und las eine Informationsbroschüre über
Schwangerschaften im Jugendalter, die um den heißen Brei herumredete, weil es
dem Staat nicht gestattet ist, sich aktiv für Empfängnisverhütung einzusetzen.
    Philippa Barnes war eine große, schlanke Frau um
die Fünfzig. Sie war sehr schwarz und hatte einen sehr langen, dünnen Hals,
der ihr das Aussehen eines Schwans verlieh. Ihre Bewegungen waren fließend,
als ob Wasser

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