Toedliche Traeume
dass Sie mir einschlafen und von der Bank rutschen. Ich weiß nicht, ob ich Sie da wieder hochhieven könnte.«
Er lächelte, ohne die Augen zu öffnen. »Das würden Sie schon schaffen, da bin ich mir ganz sicher.«
Leise öffnete sie die Tür und schlüpfte in Michaels Zimmer. Er schlief noch. Seinen entspannten Gesichtszügen nach zu urteilen, ging es ihm gut, aber das konnte sich jeden Augenblick ändern. Er wirkte so jung und hilflos. So verletzlich. Erst vor wenigen Minuten hatte sie dasselbe von Royd gedacht – und er hatte es gespürt und sich ihre Gefühle mit schroffen Worten verbeten. Auch Michael begann, jeden Anflug von Mitleid abzulehnen. Zwar würde er ihr gegenüber nie grob werden, aber er reagierte genauso wie Royd. Er wurde allmählich größer und wollte für sich selbst verantwortlich sein.
Aber das konnte er noch nicht. Eine Weile würde er noch ihre Liebe und ihren Schutz brauchen.
Nachdem sie Michael sorgfältig zugedeckt hatte, ging sie in den Flur hinaus, ließ die Tür jedoch einen Spaltbreit offen.
Royd öffnete die Augen. »Alles in Ordnung?«
Sie nickte.
Er stand mühsam auf. »Bringen wir’s hinter uns. Ich weiß ja, dass Sie wieder zu ihm zurückwollen.«
»Ja, das stimmt.«
Er war ziemlich unsicher auf den Beinen, doch sie machte keine Anstalten, ihn zu stützen. Er kam allein zurecht, und sie wollte ihn im Moment lieber nicht berühren. Sie hielt ihm ihre Zimmertür auf. »Ich lasse einfach die Tür offen, dann höre ich ihn.« Sie schaltete das Licht an und zeigte auf einen Sessel in der Ecke des Zimmers. »Setzen Sie sich. Ich muss kurz nach unten und einen Erste-Hilfe-Kasten organisieren – falls ich MacDuff oder einen seiner Männer finde.«
»Ich glaube nicht, dass es schwer sein wird, MacDuff zu finden. Der hat sich garantiert noch nicht schlafen gelegt.« Royd ließ sich in den Sessel sinken. »Er wollte noch ein paar Dinge erledigen.«
»Ich möchte wirklich mal wissen –« Sie brach ab und ging zur Tür. »Ich erwarte, dass Sie mit mir reden, sobald ich Ihre Wunde genäht habe, sonst –«
»Sonst ziehen Sie die Fäden wieder raus?«
»Ich würde doch nicht meine eigene Arbeit zunichtemachen. Aber mir würde schon was einfallen.«
»Gott steh mir bei«, murmelte er.
»Lauschen Sie auf Michael.« Sie verließ das Zimmer.
»Fertig.« Sophie trat einen Schritt zurück und betrachtete Royds verbundenen Arm. »Das ist eine ziemlich böse Wunde. Sie sollten sich im Krankenhaus eine Bluttransfusion verpassen und meine Naht überprüfen lassen.«
Er schüttelte den Kopf.
»Ihre Entscheidung«, sagte sie achselzuckend.
»Genau. Das wird schon heilen.« Er schaute sie ernst an. »Ich fürchte, dass von jetzt an alles ziemlich Schlag auf Schlag gehen wird.«
»Wieso? Was ist passiert?«
»Diese Schafe, mit denen wir beinahe kollidiert wären, die kamen Jock und MacDuff verdächtig vor. Der Mann, dem die Schafe gehört haben, war sehr zuverlässig und hätte seine Tiere nie einfach in der Gegend rumlaufen lassen. Deswegen haben wir uns ein bisschen umgesehen.«
»Und was haben Sie gefunden?«
»Einen von Sanbornes Männern, einen Typen namens Devlin.« Mit einer Kinnbewegung zeigte er auf seinen Arm. »Im Wald. Ich habe ihn mit dem Messer an der Schulter erwischt, aber er ist mir entkommen. Trotzdem habe ich hier angerufen, um mich zu vergewissern, dass Ihnen und Michael nichts zugestoßen war.«
»Ohne den Vorfall mit einem einzigen Wort zu erwähnen«, schimpfte sie.
»Dazu reichte die Zeit nicht. Außerdem waren Sie gerade mit Ihrem Sohn beschäftigt.«
»Und warum reichte die Zeit nicht?«
Er antwortete nicht gleich. »Wir mussten nach dem Schäfer und dessen Familie sehen.«
Sophie musterte sein Gesicht. Ihr die Sache mit Devlin zu erzählen, war ihm leichtgefallen, aber über den Schäfer wollte er offenbar nicht sprechen.
»Und?«
»Tot. Brutal abgeschlachtet. Der Schäfer, seine Frau, sein Sohn und die Enkelin, ein kleines Mädchen, vielleicht sieben.«
Sie erstarrte. »Was?«
»Sie haben mich richtig verstanden. Soll ich es noch einmal wiederholen.«
»Warum?«, flüsterte sie.
Er hob die Schultern. »Möglicherweise hat der Schäfer Devlin gesehen, und daraufhin hat er ihn und seine Familie getötet, um nicht entdeckt zu werden.« Seine Kiefermuskeln spannten sich. »Nein, ich glaube, dass sich ihm einfach die Gelegenheit geboten hat und er nicht widerstehen konnte. Der Typ ist ein blutrünstiges Monster. Ein kleiner Junge reichte ihm
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