Tödliche Unschuld
beobachten, dass alles nach ihren Vorstellungen verläuft. Was hätten die braven Bürger schon dagegen machen sollen? Also geht es ihnen genauso beschissen wie zuvor.«
»Sie haben also eine Verbrecherbande gegen die nächste eingetauscht.«
»Ja, und obendrein noch ihr Geld verloren. Dazu sind eine Menge Unschuldiger dabei zu Schaden gekommen. Am Ende taucht dann dieser Marshall auf - der schon am Anfang hätte kommen sollen -, und nach einer Reihe wilder Schießereien, Sprüngen von den Dächern und Stürzen von durchgehenden Pferden räumt er das Städtchen auf.«
»Wir haben keine Pferde, aber wir räumen diese Kirche trotzdem heute Abend auf.«
»Genau.«
Sie warteten weiter ab, belauschten unzählige langweilige Gespräche, unterbrochen von Phasen kurzer Stille, und tauschten sich mit den anderen Einheiten rund um das Gebäude aus. Polizeiarbeit, sagte sich Eve, während sie literweise schwarzen Kaffee trank und auf den Bildschirm starrte, bestand häufig aus stundenlangem Warten, Bergen von Papierarbeit, Phasen unglaublicher Langeweile. Aber genauso aus Momenten, aus extremen Augenblicken, in denen das Leben auf Messers Schneide stand.
Sie schielte kurz zu ihrer Assistentin. Aus Bruchteilen von Sekunden, dachte sie, aus wenigen Zentimetern. Und vor allem aus Glück.
»Sie fangen an«, erklärte Feeney leise. »Mehr Leute scheinen sie heute Abend nicht mehr zu erwarten. Die Bastarde beginnen ihre Todestreffen doch tatsächlich mit einem Gebet.«
»Sie werden noch genug Gelegenheit bekommen, Buße zu tun und eifrig zu beten.«
Eve stand entschlossen auf. »Machen wir uns an die Arbeit und nehmen wir sie endlich fest.«
Sie sprach mit den Leitern aller Einheiten und wies sie an, die Positionen auch weiterhin zu halten, während sie mit Feeney zu Baxter und Trueheart ging.
Ihre Einheit würde als Erste in den Keller gehen.
Sie piekste Baxter in die Brust, um zu überprüfen, ob er seine schusssichere Weste trug.
Grinsend piekste er zurück. »Verdammt schwer, das Zeug, nicht wahr?«
»Nervt mich total, wenn ich es anziehen muss«, gestand sie und ließ den Zeigefinger kreisen, damit er ihr den Rücken zuwandte und sie die schwarze Tarnklappe von seiner Jacke reißen konnte, unter der das Polizeiemblem zu sehen war.
»Die Sitzung hat begonnen«, hörte sie die Stimme von McNab in ihrem Ohr. »Richter Lincoln hat den Vorsitz. Sie verlesen doch tatsächlich ein verdammtes Protokoll der letzten Zusammenkunft.«
»Geben wir ihnen noch ein paar Minuten Zeit«, ordnete Eve an. »Nehmt ruhig noch etwas auf. Je mehr wir haben, umso tiefer werden sie untergehen.«
»Lieutenant?«, wisperte Trueheart, als wären sie schon in der Kirche. »Ich möchte Ihnen dafür danken, dass ich an diesem Einsatz teilnehmen darf.«
»Wenn Sie schon derart schleimen müssen, dann gefälligst mir gegenüber«, meinte Baxter grinsend. »Ich schleime mich bei Dallas ein. So ist es nun einmal in einer Hierarchie.«
»Jetzt kommen sie zu einem neuen Thema«, berichtete McNab. »Sie sprechen über die Tötung Greenes. Den Tod von Wade nennen sie ein unglückliches, systemimmanentes Nebenprodukt. Nur ein einziges Mitglied wendet etwas dagegen ein.«
»Madam?«, hörte Eve jetzt die Stimme ihrer Assistentin. »Wir haben soeben Meldung bekommen, dass Geller es nicht geschafft hat.«
Acht Tote, dachte Eve. Doch mehr würden es nicht. »Das Treffen ist beendet.«
»Auf geht’s«, stimmte ihr Baxter zu.
»Alle Einheiten, los. Los.«
Sie preschte als Erste durch die Tür, und während sie eine alte Eisentreppe hinunterstürmte, stellte sie sich vor, wie die anderen Einheiten von vorn und von der Seite kamen, bis das gesamte Kirchenschiff mit Polizei bevölkert war.
»Polizei! Niemand bewegt sich.«
Es gab ein paar Schreie, ein paar laute Rufe, und einige der Leute stolperten auf der Suche nach Deckung oder aber einem Fluchtweg ziellos durch den Raum. Zusätzliche Polizeibeamte strömten wie Ameisen bei einem Picknick in den Raum. Ameisen, die mit Lasergewehren und doppelläufigen Stunnern ausgerüstet waren.
»Hände hoch. Hände hoch«, brüllte sie, »sonst werden Sie betäubt. Das Gebäude ist umstellt. Es gibt keinen Ausweg. Sie sind wegen Bildens einer terroristischen Vereinigung, wegen Verabredung zu Mord, wegen des Mordes an einem Polizeibeamten und wegen anderer Anklagepunkte, die man Ihnen noch nennen wird, festgenommen.«
Sie marschierte durch den Raum und sah sich die Gesichter dieser Menschen an. Einige von ihnen
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