Tödliche Unschuld
dienen. Was werden Sie jetzt machen?«
»Meinen Job«, erwiderte Nadine.
»Sie werden mit diesem Dreck also auf Sendung gehen.«
»Ja, ich werde damit auf Sendung gehen. Es ist eine Nachricht, und es ist mein Job, Nachrichten zu bringen.«
»Und sicher schießen Ihre Einschaltquoten dadurch in die Höhe.«
»Ich werde so tun, als hätte ich das nicht gehört«, meinte Nadine nach kurzem Schweigen. »Weil Sie einen toten Polizisten und einen verletzten Kollegen haben - einen Kollegen, den ich als Freund betrachte. Außerdem werde ich so tun, als hätte ich das nicht gehört, weil es tatsächlich meine Einschaltquoten in die Höhe schießen lassen wird.
Aber Sie sind hier, und ich lese Ihnen dieses Schreiben vor der Veröffentlichung vor, weil ich Sie respektiere, weil ich Sie ebenfalls als Freundin betrachte, und weil ich rein zufällig der Überzeugung bin, dass es beim Streben nach Gerechtigkeit keine Abkürzungen gibt.
Falls Sie andersherum mich und meine Ziele nicht respektieren wollen oder können, war es ein grober Fehler, dass ich Sie angerufen habe.«
Eve wandte sich ab und trat so kraftvoll gegen ein kleines Sofa, dass Nadine ächzte.
»Sie sind die einzige Reporterin, die ich beruflich jemals länger als zehn Minuten ertragen habe.«
»Aber hallo. Jetzt bin ich natürlich absolut gerührt.«
»Unsere Freundschaft steht auf einem völlig anderen Blatt. Aber zurück zu unserem eigentlichen Thema. Sie sind gut in Ihrem Job, und Sie sind immer ehrlich.«
»Danke. Das kann ich erwidern.«
»Aber das heißt nicht, dass ich einen Freudentanz aufführe, weil ich weiß, dass Sie mit diesem Schwachsinn auf Sendung gehen. Wächter, meine Güte. Man kann Mörder nicht mit Heiligenscheinen versehen.«
»Das war gut. Darf ich das zitieren?«
Eves Augen fingen zornig an zu blitzen. »Verdammt, dies ist kein offizielles Interview.«
»Nein, das ist es nicht«, stimmte ihr Nadine ruhig zu. »Aber Sie werden mir bestimmt in allernächster Zeit ein Interview gewähren. Ich brauche eins mit Ihnen und dann welche mit Whitney, Tibble, Feeney und McNab. Auch mit Halloways Leuten werde ich sprechen müssen. Mit seiner Familie, seinen Freunden, den Kollegen. Und vom Bürgermeister brauche ich natürlich eine Stellungnahme zu diesem höchst brisanten Fall.«
»Soll ich vielleicht noch eine hübsche Schleife um dieses kleine Interview-Päckchen wickeln?«
Nadine stemmte die Fäuste in die Hüften. »Die Öffentlichkeitsarbeit ist mein Metier, und als echter Profi kenne ich mich eindeutig mit diesen Dingen aus. Wenn Sie hoffen, die Stimmung in Ihre Richtung lenken zu können, brauche ich Interviews mit sämtlichen Hauptbeteiligten.«
»Eve.« Roarke legte eine Hand auf ihre starre Schulter. »Sie hat Recht. Sie hat wirklich Recht. Die Mehrheit der Zuschauer wird von dieser Gruppe fasziniert sein. Sie werden sich Cogburn und Fitzhugh ansehen und -«
»Wer ist Fitzhugh?«, wollte Nadine wissen. »Sprechen Sie etwa von Chadwick Fitzhugh? Ist er tot?«
»Haltet die Klappe«, fuhr Eve die beiden an. »Ich muss überlegen.«
»Lass mich erst zu Ende sprechen«, meinte Roarke ungerührt. »Sie werden sich die Leute ansehen, die diese Gruppe hingerichtet hat, und denken, tja, genau das haben sie verdient. Sie waren schließlich Parasiten und haben sich über unsere Kinder hergemacht.«
»Genauso denkst du schließlich auch«, platzte es aus ihr heraus.
Er nickte. »Falls du die Hoffnung hegst, dass ich irgendwann darüber trauere, dass ein Schwein wie Fitzhugh tot ist, machst du dich besser auf eine Enttäuschung gefasst.
Allerdings habe ich gesehen, was heute einem jungen Polizisten widerfahren ist. Was Ian passiert ist und was Feeney - und auch dir - hätte passieren können. Das ändert natürlich die Wirkung dieser aufgeblasenen, selbstgerechten, egozentrischen Erklärung. Aber es wird Leute geben, die dieses Statement hören und zu dem Ergebnis gelangen werden, dass die Mitglieder dieses Reinheitstrupps echte Helden sind.«
»Heldentum erlangt man nicht per Fernbedienung«, schnauzte Eve.
»Wenn Sie weiter so tolle Sätze von sich geben, die ich nicht zitieren darf«, meinte Nadine, »breche ich gleich in Tränen aus.«
»Zeig sie als die Feiglinge, die sie sind«, forderte Roarke sie auf. »Lass die Öffentlichkeit die Trauer der Verwandten, Freunde und Kollegen von Halloway sehen, der ein unschuldiges Opfer war. Ein Polizist, der wegen einer Sache, die diese Gruppe inszeniert hat, in Erfüllung seiner Pflicht
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