Tödliche Unschuld
etwas sagen konnte, fort. »Und ich werde ihn bestimmt nicht wecken, damit er jetzt mit Ihnen spricht. Sie können McNab bei uns zu Hause interviewen, falls die Ärzte damit einverstanden sind. Ich werde Sie so bald wie möglich wissen lassen, wann. Chief Tibble setzt ebenfalls eine Erklärung auf und denkt, nachdem er alle Informationen geprüft hat, über ein Interview mit Ihnen nach. Ich kann Ihnen nur raten, dieses Angebot zu akzeptieren, Nadine, denn ein besseres bekommen Sie nicht.«
»Trinken Sie erst mal einen Kaffee. Ich muss kurz telefonieren und mich umziehen.
Die Interviews mit Ihnen und mit Whitney werde ich im Studio führen. In einer Stunde, ja?«
Eve überstand das Interview, indem sie korekt die offizielle Meinung der Polizei vertrat. Selbst wenn Nadine von dem Inhalt des Gesprächs nicht unbedingt begeistert war, wusste sie, es waren nicht die Worte, die diesen Teil ihres Berichts bedeutsam werden ließen. Es war Lieutenant Eve Dallas selbst, die ihr erschöpft und mit kreidebleicher Miene, gleichzeitig aber gefasst gegenübersaß.
Zu Eves Überraschung erschien, gerade als das Interview beendet war, Bürgermeister Steven Peachtree vor der Tür des Studios. Mit seinen dreiundvierzig Jahren strahlte er neben jugendlicher Dynamik Entschlussfreude und Durchsetzungsvermögen aus. In seinem konservativen grauen Anzug, dem telegenen blauen Hemd und der perfekt geknoteten grau-blauen Krawatte wirkte er gleichermaßen würdevoll wie attraktiv.
Er hatte einen hellwachen, grimmigen Gesichtsausdruck und kam mit einem kleinen Gefolge elegant gekleideter Assistenten, die er genauso ignorierte, wie man es mit seinem eigenen Schatten tat.
»Commander.« Als er Whitney mit einem knappen Kopfnicken begrüßte, stand er dicht genug vor Eve, dass sie die winzigen Fältchen, die fehlenden Schlaf verrieten, um seine Augen herum sah. »Ich hatte das Gefühl, dass ich mich in dieser Angelegenheit möglichst schnell persönlich an die Menschen wenden sollte. Man sagte mir, Sie hätten bereits mit Chang besprochen, welche offizielle Erklärung in dem Fall abgegeben wird.«
»Das ist richtig. Wir brauchen ein solides, einheitliches Konzept.«
»Das sehe ich genauso. Mein Pressesprecher wird die Erklärungen verfassen, die von den beteiligten Parteien abzugeben sind. Lieutenant.«
»Bürgermeister.«
»Wir müssen in diesem Fall möglichst schnell und entschlossen handeln. Ich erwarte, dass mein Büro über jeden Schritt Ihrer Ermittlungen auf dem Laufenden gehalten wird.«
Er schaute in Richtung Studio. »Wir werden dafür sorgen, dass die Situation nicht außer Kontrolle gerät. Wir werden Ms Furst und den anderen Journalisten stets nur so viel Stoff für ihre Reportagen liefern, wie die Öffentlichkeit unserer Meinung nach verträgt.«
»Wir sind nicht die Einzigen, die mit ihnen sprechen.«
»Das ist mir bewusst.« Seine Stimme hatte einen vollen, gleichzeitig aber merklich unterkühlten Klang. »Aber was auch immer diese Gruppe Ihnen auftischt, können wir uns darauf verlassen, dass Chang die passende Antwort darauf finden wird. Sie werden mit ihm und der stellvertretenden Bürgermeisterin Franco zusammenarbeiten, damit keine unautorisierten Kommentare an die Medien gehen.«
Er warf einen Blick auf seine Uhr und runzelte die Stirn. »Halten Sie mich auf dem Laufenden«, wies er Eve und den Commander nochmals an, ehe er durch die Garderobentür verschwand.
»Er ist wirklich gut in diesen Dingen«, stellte Whitney fest. »Er wird einen starken, beherrschten und besorgten Eindruck machen. Genau das werden wir brauchen, damit diese Geschichte nicht außer Kontrolle gerät.«
»Meiner Meinung nach kann man am nachhaltigsten dafür sorgen, dass die Sache nicht außer Kontrolle gerät, indem man diese Reinheitssucher identifiziert und stoppt.«
»Das ist Ihre Aufgabe, Lieutenant. Aber bis es so weit ist, müssen wir verhindern, dass es zu einer Massenpanik oder aber zu allzu großen Sympathiebekundungen für diese Gruppe kommt. Der Gedenkgottesdienst für Detective Halloway ist morgen früh um zehn. Er wird mit allen Ehren beigesetzt, und ich hätte Sie gerne dabei.«
»Ja, Sir. Ich werde pünktlich erscheinen.«
»Die heutige Besprechung wurde auf dreizehn Uhr verlegt. Sehen Sie zu, dass Sie bis dahin etwas Schlaf bekommen«, fügte er hinzu und betrat das Studio, um Nadine seinerseits ein Interview zu geben. »Es wird bestimmt ein langer Tag.«
Zu Hause warf sie sich bäuchlings auf ihr Bett, versank
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