Tödliche Unschuld
Gelegenheit bei.
Als Eve das Haus betrat, traf sie auf Dr. Mira, die gerade aus der oberen Etage kam.
»Eve. Ich dachte schon, ich hätte Sie verpasst.«
»Hatten wir einen Termin?«
»Nein, aber ich habe das Profil, um das Sie mich gebeten hatten, vorbeigebracht.« Unten an der Treppe blieb die Ärztin stehen. Ihre rechte Hand lag schlank und gepflegt auf dem schimmernden Holzgeländer, das genau denselben warmen Braunton hatte wie ihr leicht gewelltes Haar. Sie hatte ein weiches, weibliches Gesicht mit leuchtend blauen Augen und einen mit einem blass pinkfarbenen Lippenstift dezent geschminkten, vollen Mund.
Ihr sonnenblumengelbes Kostüm war, wie Eve vermutete, klassisch elegant und passte bestens zu der Perlenkette, die Mira so gerne trug.
Sie sah wieder mal perfekt aus, durch und durch elegant, warmherzig und feminin. Und war nicht nur eine der besten Profilerinnen des Landes, sondern arbeitete nebenher auch noch als Psychologin für die New Yorker Polizei.
»Danke, aber Sie hätten sich keine derartige Mühe machen müssen.«
»Ich wäre sowieso vorbeigekommen. Wegen McNab.«
»Oh.« Sofort vergrub Eve die Hände in den Taschen ihrer Jeans. »Tja.«
»Ich frage mich, ob ich vielleicht kurz mit Ihnen reden könnte. Sie haben eine wunderbare Terrasse hinter Ihrem Wohnzimmer. Ich würde mich gern nach draußen setzen, wenn Ihnen das recht ist.«
»Ja.« Eve lief in Gedanken bereits in ihr Büro hinauf, wo jede Menge Arbeit für sie lag.
»Sicher. Kein Problem.«
»Hätten Sie eventuell gerne eine Erfrischung, Doktor Mira?« Wie auf Bestellung erschien Summerset im Flur. »Vielleicht einen Eistee? Oder ein Glas Wein?«
»Danke. Ein Glas Wein wäre genau das Richtige.«
Bevor Eve etwas sagen konnte, hakte sich Mira bei ihr ein und lief mit ihr in Richtung des Salons. »Ich weiß, Sie haben alle Hände voll zu tun, und ich verspreche Ihnen, es wird nicht lange dauern. Sie hatten einen anstrengenden Tag. Die Pressekonferenz kann für Sie nicht angenehm gewesen sein.«
»Das ist eine meisterhafte Untertreibung.« Eve öffnete die Flügeltüren zur Terrasse und trat hinaus.
Wie alles hier auf diesem Anwesen war auch die Gestaltung dieses Fleckens wunderbar geplant und ausgeführt.
Die Terrasse bestand aus Steinen in verschiedenen Formen, Größen und Farben, die zu einem sanften Halbkreis angeordnet waren, der fließend in die Wege, die durch den Garten führten, überging. Zwei mit Glasplatten bedeckte Eisentische standen zwischen kostbaren Töpfen mit hübsch gestutzten Bonsaibäumchen und zart blühenden Blumen, die in Miniatur den Blüten- und den Farbenreichtum wiedergaben, der einen betörte, sobald man in den Garten sah.
Die abendliche Sonne tauchte sowohl die Steine als auch die wilden Ranken mit den leuchtend blauen Blüten, die sich um ein Gitter wanden, in ein blassgoldenes Licht.
»Was für ein wunderbares Fleckchen.« Mira nahm an einem der beiden Tische Platz.
Und seufzte leise auf. »Ich fürchte, wenn ich hier wohnen würde, würde ich jede Gelegenheit nutzen, um mich hierherzusetzen und zu träumen.« Sie sah Eve lächelnd an. »Träumen Sie auch manchmal einfach vor sich hin?«
»Ich schätze, ja.« Eve setzte sich ebenfalls und überlegte, ob sie nicht besser Dwiers Personalakte noch einmal las. »Das heißt, äh, vielleicht auch nicht.«
»Dann sollten Sie es mal versuchen. Es täte Ihnen gut. Als ich noch ein junges Mädchen war, habe ich mich gerne auf den Platz unter dem Fenster in der Bibliothek meines Vaters zurückgezogen und, wenn man mich ließ, den ganzen Nachmittag geträumt. Er ist Lehrer. Habe ich Ihnen das jemals erzählt? Er hat meine Mutter kennen gelernt, als er sich beim Schneiden einer Tomate für ein Sandwich in die Hand geschnitten hat. Er war schon immer etwas ungeschickt. Sie war Assistenzärztin im Krankenhaus und hat ihn damals versorgt.«
Lachend hielt sie ihr Gesicht in die warme Sonne. »Seltsam, daran zu denken. Und irgendwie auch süß. Inzwischen sind die beiden in Altersteilzeit gegangen. Sie leben zusammen mit Spike, ihrem uralten Hund, in Connecticut und haben einen kleinen Gemüsegarten, damit es ihnen nie an Tomaten fehlt.«
»Das klingt schön.« Und gleichzeitig war es verblüffend, dachte Eve.
»Sie überlegen sich, weshalb ich Ihnen all das erzähle? Danke, Summerset«, sagte Mira, als er mit zwei Gläsern Wein und einem kleinen Tablett mit Kanapees zu ihnen auf die Terrasse kam. »Wie herrlich.«
»Guten Appetit. Lassen Sie es mich
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