Tödliche Versuchung
kannst.«
»Wie lange?«, fragte Morelli. »Einen Tag? Ein Jahr?«
»Nur für ein paar Stunden.«
Als Nächstes rief ich Lula an. »Ich will ein bisschen auf Einbrechertour. Hast du Lust mitzukommen?«
»Natürlich habe ich Lust. Nichts lieber als Einbrechen.« Ich brachte Bob zu Morelli und gab ihm die nötigen Instruktionen. »Behalt ihn im Auge. Er frisst alles.«
»Dann sollten wir ihn vielleicht zu einem Polizisten ausbilden«, sagte Morelli. »Wie steht es mit seiner Alkoholverträglichkeit?«
Lula wartete bereits auf der Treppe vor ihrem Hauseingang, als ich vorfuhr. Sie war dezent gekleidet: giftgrüne SpandexHose und einen knatschrosa falschen Fuchspelz. Nächtens bei Nebel an einer Kreuzung postiert, und sie wäre noch auf fünf Kilometer Entfernung sichtbar.
»Hübsches Outfit«, sagte ich.
»Ich will heiße Klamotten anhaben, sollte ich verhaftet werden. Du weißt doch, wenn ein Foto von dir gemacht wird und so.« Sie legte den Sicherheitsgurt an und sah zu mir herüber. »Es wird dir noch Leid tun, dass du nur so ein langweiliges T-Shirt angezogen hast. Das macht nichts her. Und überhaupt, was ist denn das für eine Frisur? Du hast ja nicht mal Haarformer benutzt!«
»Ich hatte nicht vor, mich verhaften zu lassen.«
»Man weiß nie. Es kann nicht schaden, ein paar Vorsichtsmaßnahmen zu treffen und etwas mehr Eye-Liner als sonst aufzutragen. Übrigens, bei wem brechen wir eigentlich ein?«
»Bei Hannibal Ramos.«
»Du spinnst! Bei dem Bruder von dem toten Homer Ramos? Dem Kronprinzen des Waffenkönigs Alexander Ramos? Bist du total übergeschnappt?«
»Wahrscheinlich ist er gar nicht zu Hause.«
»Wie willst du das herausfinden?«
»Indem ich an seiner Haustür klingele.«
»Und wenn er rangeht?«
»Frage ich ihn, ob er meine Katze gesehen hat.«
»Ach was«, sagte Lula. »Du hast doch gar keine Katze.«
Zugegeben, es war ein bisschen einfallslos, aber was Besseres fiel mir nicht ein. Bestimmt war Hannibal sowieso nicht zu Hause. Ich hätte es gehört, wenn sich Ranger gestern Abend mit einem Ständchen von ihm verabschiedet hätte. Und Licht hatte ich auch keins gesehen, nachdem er gegangen war.
»Willst du bloß in der Blüte deiner Jugend sterben«, fragte Lula, »oder was suchst du bei ihm?«
»Das weiß ich erst, wenn ich es sehe«, sagte ich. Jedenfalls hatte ich die Hoffnung.
In Wahrheit wollte ich lieber nicht zu angestrengt an das denken, was ich bei ihm suchte. Ich hatte Angst davor, Ranger zu belasten. Er hatte mich beauftragt, Hannibals Haus zu beobachten, und dann hatte er ohne mich herumgeschnüffelt, mir das Gefühl vermittelt, er wolle mich ausschließen. Das hatte mir Angst gemacht. Wonach hatte er in Hannibals Haus gesucht? Und was das betrifft – was suchte er in dem Haus in Deal? Meine Fenster- und Türenzählung hatte ihm die nötige Information für den Einbruch gegeben. Was um alles in der Welt war bloß in dem Gebäude versteckt, das ein solches Risiko rechtfertigte?
Ranger, der Mann voller Geheimnisse, war in Ordnung, solange alles prima lief. Aber jetzt hatte ich es mit einem schwerwiegenden Fall zu tun, und ich fand diese ewige Geheimnistuerei, mit der sich Ranger umgab, irgendwie überholt. Ich wollte wissen, was los war. Ich wollte sichergehen, dass Ranger bei dieser Sache auf der richtigen Seite des Gesetzes stand. Wer war der Kerl bloß?
Lula und ich standen auf dem Bürgersteig und betrachteten Hannibals Haus. Die Vorhänge waren immer noch zugezogen. Stille. Die Häuser rechts und links ebenfalls ruhig. Sonntagnachmittag. Alle waren in der Shoppingmall.
»Bist du sicher, dass das die richtige Adresse ist?«, fragte Lula. »Sieht mir nicht nach einem Großkotzwaffendealerhaus aus. Ich hatte so eine Art Tadsch Mahal erwartet.
Donald wohnt.«
»Donald Trump wohnt nicht im Tadsch Mahal.« »Wenn er in Atlantic City ist, schon. Dies Teil hier hat ja nicht mal Geschütztürme. Was ist das überhaupt für ein Waffenhändler?«
»Einer von den Unauffälligen.«
»Sag bloß.«
Ich ging auf die Haustür zu und klingelte.
»Ob unauffällig oder nicht«, sagte Lula, »wenn er rangeht, mache ich mir in die Hose.«
Ich drückte die Klinke, die Tür war verschlossen.
Ich sah Lula an. »Du kannst doch Schlösser knacken, oder nicht?«
»Na klar. Gibt kein Schloss auf der Welt, das ich nicht knacken kann. Ich habe nur mein Dingsbumsbesteck nicht dabei.«
»Deinen Dietrich?«
»Genau. Überhaupt, was ist mit der Alarmanlage?«
»Ich glaube, die
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