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Toedliche Worte

Toedliche Worte

Titel: Toedliche Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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ist nicht schön, was? Zu wissen, dass du wegen eines anderen Menschen fallen gelassen wurdest?« Tyler regte sich nicht.
    »Ich meine, wenn du Stimmen hörst, würdest du doch zumindest vermuten, dass sie dir treu bleiben. Und dich nicht wegschmeißen wie ein altes Paar Schuhe, weil du nicht mehr funktionierst.« Tylers Bein zuckte.
    »Ich sehe, dass dieser Gedanke dich aufregt. Und das ist ja auch kein Wunder. Ich würde mich an deiner Stelle auch aufregen. Du bist einfach vor die Tür gesetzt worden, Derek. Ich wette, du dachtest, dass deine Stimme dir helfen würde, hier rauszukommen, stimmt’s? Ich wette, deshalb hast du das Spielchen ›verrückt, aber nicht bösartig‹ gespielt, weil die Stimme dir sagte, du solltest den Mund halten. Damit du eines Tages anfangen könntest, wieder zu sprechen, und wir dich für geheilt halten würden.« Da bewegt sich definitiv etwas, dachte Tony. Tylers Schultern spannten sich, und er zog die Beine höher hinauf.
    »Es ist komisch, aber ich habe im Lauf der Jahre bemerkt, dass die meisten Leute, die Stimmen hören, sie irgendwie als Ausrede benutzen. Also ich persönlich, wenn die Jungfrau Maria mir sagen würde, dass ich Prostituierte umbringen solle, ich würde es nicht tun, weil ich in mir nicht den tiefen Wunsch habe, Prostituierte zu ermorden. Aber ein Mann, der insgeheim glaubt, dass Prostituierte böse sind, würde die Stimme als Rechtfertigung nutzen, um das zu tun, was er für richtig hält. Wie Peter Sutcliffe behauptete, als er das Spiel ›verrückt, aber nicht bösartig‹ spielte.«
    Tony sprach in einem tieferen Tonfall, mit dem er Wärme und Mitgefühl vermitteln wollte. »Aber ich glaube nicht, dass es bei dir so ist, Derek. Ich glaube nicht, dass du die Stimme für dich genutzt hast. Ich glaube, die Stimme hat dich ausgenutzt. Und jetzt bedient sie sich eines anderen. Gib’s zu, Derek, du bist nicht so besonders, wie du dachtest.«
    Plötzlich streckte sich Tyler und rollte sich auf den Rücken. Er setzte sich mit einem Ruck auf dem Bettrand auf, sein Gesicht war nur ein paar Zentimeter von Tonys Gesicht entfernt. Tony hielt seinen Ausdruck von Mitgefühl und Besorgnis aufrecht. Zeit, seine Trumpfkarte auszuspielen. »Du bist so loyal gegenüber der Stimme, aber sie hat sich von dir abgekehrt. Sie lässt dich hier sitzen, bis du schwarz wirst. Sie hat einen anderen gefunden, der tut, was sie will. Sie hat dich verraten, Derek. Du kannst es ruhig genauso machen.«
    Das Schweigen zog sich eine ganze Minute hin. Dann beugte sich Tyler näher zu ihm heran. Tony spürte den warmen Atem des anderen Mannes an seiner Haut. »Ich hab auf Sie gewartet«, krächzte er.
    Tony nickte sanft. »Ich weiß, Derek.«
    Tyler riss die Augen so weit auf, dass Tony die kreisrunde Iris im Weiß des Augapfels sah. »Ich bin angeblich beschränkt. All diese Ärzte, die sollen zwar schlau sein, aber sie haben es nie kapiert.«
    »Ich weiß.«
    »Sie dachten alle, es sei die Stimme Gottes oder so was. Aber ich bin doch nicht blöd, wissen Sie. Ich bin vielleicht langsam, aber nicht blöd.«
    »Das weiß ich auch. Wessen Stimme war es also?«
    Tylers Lippen verzogen sich zu einem triumphierenden Grinsen. »Die von der Viper.«
    »Der Viper?« Tony versuchte, seine Enttäuschung nicht zu zeigen. »Wer ist die Viper?«
    Tyler wich ein paar Zentimeter zurück und tippte sich an die Nase. »Wenn du so verdammt schlau bist, dann knoble es doch selbst aus.«
    Dann drehte er sich zur Wand und rollte sich mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung wieder wie ein Fötus zusammen.

    Hätten sie es nur früh genug gewusst, dann hätte es für Bradfields Gelegenheitskriminelle ein Freudentag sein können. Jeder irgendwie abkömmliche Polizist war draußen auf den Straßen, irgendwo in das Kaleidoskop von Gesprächen verwickelt.
    An einer Ecke in der Nähe des Sexshops stand PC Danny Wells und fiel potenziellen Kunden auf die Nerven. »Haben Sie in den letzten vierundzwanzig Stunden diese Frau gesehen?« Das Foto von Paula, als sie einen Abend mit ihren Kolleginnen verbrachte und in die Kamera lächelte. »Erkennen Sie diesen Mann?« Das Standbild aus dem Video. Es könnte eigentlich jede beliebige Person sein , dachte Danny. »Hören Sie sich diese Stimme an. Erkennen Sie sie wieder?« PLAY, STOP, zurückspulen.
    DS Jan Shields war bei den Zeitungsverkäufern weiter unten in der Straße an Paulas Standort. Der Asiate hinter dem Ladentisch war vor rechtschaffener Empörung ganz außer sich.

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